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Ein Freund der Erde

Ein Freund der Erde

Titel: Ein Freund der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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probierte es an der Hintertür der Garage, sie quietschte kaum hörbar in den Angeln, dann war er drin. Der rosa Schein der Taschenlampe beleuchtete drei Autos, und was für welche: ein Lexus, zwei Lexusse – Lexi? – einer silbern, einer schwarz, vermutlich ihrer und seiner. Und irgendein Sportwagen, sah aus wie ein älterer Jaguar, mit großen Speichenrädern und Trittbrettern – liebevoll restauriert, wie man sagt. Man stelle sich vor – Richter Duermer ohne seinen Talar, ein flaches Hütchen in die fleischige Stirn gezogen, in den winzigen Ledersitz des Roadsters gezwängt, Sonntag nachmittag und vrooom , hallo, Richter, auch für Sie ein sicheres süßes Stückchen des lässigen Lebens. Aber Tierwater war nicht hier, um sich Dinge auszumalen, und es dauerte keine fünf Minuten, bis er die Getriebegehäuse aller drei Autos geöffnet, jedes liebevoll mit rund hundert Gramm Siliziumkarbid gefüllt und dann die Hauben so leise wie der Schlag eines Mottenflügels geschlossen hatte.
    Im Polizeirevier brannte sehr wohl noch Licht, irgendein armer Tropf – Sheets, vielleicht war es ja Sheets – schob Dienst am Telefon, wartete auf den Anruf der alten Frau, die ihre Brille verlegt hatte, oder auch auf die mit dem Waschbären in der Küche. Der Ort lag still da. Regen fiel. Tierwater konnte den Dunst seines Atems vor dem Gesicht sehen. An die Motorhauben der beiden vor dem Revier geparkten Streifenwagen kam er schlecht heran, doch hatte man versäumt, ihre Tankstutzen mit verschließbaren Kappen auszustatten. Zwar tat es ihm weh, ihnen nur die Reifen aufzuschlitzen, die Türschlösser mit kleinen Hölzchen zu verstopfen und ein paar Handvoll Kieselgur in die Tanks zu schütten, aber viel mehr konnte er nicht tun, abgesehen von einem Molotowcocktail für das Polizeirevier selbst, aber er wollte ja niemanden auf sein Treiben aufmerksam machen, am wenigsten Sheriff Bob Hicks. Denn Sheriff Bob Hicks (Gattin: Estelle) in der Spruce Lane Nummer 17 stand als nächster auf seiner Liste.
    Hier wurde es kompliziert. Sheriff Bob Hicks wohnte außerhalb des Ortes, an einer Landstraße, die von schwärzlich glänzendem Gestrüpp und langstämmigen Sträuchern gesäumt war, kein anderes Haus in Sicht, das Regenwasser gurgelte in den Gräben, und nirgends ein Platz zum Anhalten – jedenfalls keiner, wo man den Wagen im Vorbeifahren nicht gesehen hätte. Außerdem wurde es langsam spät – Viertel nach vier auf Tierwaters Uhr –, und wer wußte schon, wann die Leute hier in der Gegend aufstanden, um die Katze hinauszulassen, sich einen Kaffee einzugießen und verträumt in den Rauch der ersten Zigarette des Tages zu starren? Tierwater fand den Briefkasten am Straßenrand, Nummer 17, das Haus dahinter lag im Dunkeln, und er fuhr weiter, suchte eine Abzweigung, wo er wenden konnte, um zu tun, was er tun mußte, und dann schleunigst in den Schoß seiner Familie zurückzukehren. Doch die Straße durchkreuzte diesen Plan: sie wurde offenbar immer schmaler. Und dunkler. Und der Regen fiel jetzt so heftig, daß er kaum noch die Fahrbahn erkannte.
    Einen Moment lang dachte er daran aufzugeben – einfach abzuhauen, zurück auf die Autobahn und nach Hause, ehe er den Wagen in den Graben fuhr oder am Ende angeschossen oder verhaftet wurde. Was er hier tat, war nichts Ehrenhaftes, das war ihm bewußt, es würde weder das Abholzen stoppen noch auch nur ansatzweise der guten Sache zuträglich sein – Andrea hatte ja recht: er sollte es gut sein lassen. Aber das konnte er nicht. Was sie ihm angetan hatten – der Sheriff, der Richter, Boehringer und Butts (und die würde er auch gern noch heimsuchen, aber das Leben war zu kurz und man konnte nicht jede Rechnung begleichen) –, war durchaus dem vergleichbar, was Johnny Taradash getan hatte. Oder vorgehabt hatte. Allein der Gedanke ließ ihm das Blut zu Kopf steigen: ein Jahr lang im Knast, ein Jahr lang das Gestöhne von Bill Driscoll im Schlaf hören müssen, ein volles Jahr aus seinem Leben gerissen wie ein Kapitel aus einem Buch. Und wofür? Wofür? Doch als er in der Vegetation zu seiner Linken eine Einfahrt auftauchen sah, schlug er das Lenkrad ein und wendete den Wagen, und was tat es schon, daß er dabei den Briefkasten von irgendeinem bescheuerten Bauern mitnahm?
    In dem Regen war nichts zu sehen, absolut nichts, und wo war jetzt dieses verfluchte Haus? Da oben vielleicht? Nein. Nur ein paar Bäume. Er wischte ungeduldig mit der Hand die angelaufene Innenseite der Scheibe ab,

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