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Ein Freund der Erde

Ein Freund der Erde

Titel: Ein Freund der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Kuvert der elterlichen Zwistigkeit steckt. Mit Mühe erkennt er die Umrisse ihrer Gestalt, schwarz gegen schwarz, die hängenden Schultern, die zu großen Füße, das knospende Wunder ihrer mit Tofu genährten Formen, und da packt ihn gleich wieder die Panik: Was ist, wenn die Sache böse ausgeht? Was dann?
    »Etwas Besonderes für dich, Liebes. Eine Überraschung.«
    »Tomate, Avocado und Sojasprossen auf Honig-Weizenkleie, mit einem Klecks Mayo dazu?«
    Ein leiser Pfiff von Andrea. »Ich kann schweigen.«
    »Hummus – Hummus und Tabbouleh auf Vollweizen-Fladenbrot?«
    »Wie ein Grab.«
    »Erdnußbutter mit Marshmallows? Und Schokoaufstrich?«
    Ein Spaziergang im Park, hatte sie das nicht gesagt? Sicher, klar doch. Und wir veranstalten hier einen solchen Heidenlärm, daß wir ebensogut Feuerwerksraketen abschießen und dazu noch auf eine große Trommel einschlagen könnten. Ein Riesenspaß das Ganze, was? Eine Familie, die zusammen Sabotage treibt, bleibt auch zusammen? Aber wenn sie uns doch abhören? Was ist, wenn sie davon erfahren haben, wenn jemand geplaudert, gequatscht, uns verpfiffen und verkauft hat? »Also wirklich«, hört er sich sagen, versucht, lässig zu klingen, aber es gelingt ihm nicht, »ihr müßt einfach still sein. Ich bitte euch – laßt das. Andrea. Sierra. Teo. Nur für meinen Seelenfrieden, wenn ihr sonst keinen Grund habt...«
    Andreas Antwort kommt klar und deutlich, es ist zweifellos kein Flüstern: »Sie haben keinen Wachtposten, das hab ich dir jetzt tausendmal gesagt – also krieg dich wieder ein, Ty.« Eine Zäsur. Die Grillen, gedämpfte Schritte von Füßen in Turnschuhen, das leise Pfeifen des Nachtwinds im todgeweihten Gewölbe von Geäst und Gezweig. »Aber ab morgen haben sie einen – da kannst du drauf wetten.«
    Es sind fünfzehn Kilometer Fußmarsch, sie haben sich dafür dreieinhalb Stunden bei recht flottem Tempo gegeben, ohne Pause zum Rasten oder für akademische Erörterungen über Nadelhölzer oder Eulenrufe, ihre Mützen sind tief ins Gesicht gezogen, jeder trägt auf dem Rücken seine Wasserration im Ledersack, fett und geschmeidig wie ein überfütterter Säugling. Außerdem schleppt jeder einen der Eimer aus unzerstörbarem Hartplastik, in denen Dunn & Edwards oder Colortone Dispersionsfarbe en gros verkaufen. Die Eimer sind leer und wiegen so gut wie nichts, aber unhandlich sind sie trotzdem, weil ihm das Ding am Schienbein reibt und dauernd außen gegen sein schlimmes Knie stößt, genau über der Kerbe, wo damals das Arthroskop eingeführt wurde, außerdem scharren und quietschen sie mit kunststoffmäßigen, nicht für diese Welt geschaffenen Geräuschen. Wenigstens wird nicht mehr geredet, nicht seitdem sie die Zehn-Kilometer-Grenze überschritten haben, die praktischerweise von einem winzigen E.F.!-Leuchtaufkleber am massigen schwarzen Stamm einer zum Tode verurteilten Douglastanne markiert wurde – ein Baum, der seine Wurzeln hier fünfhundert Jahre vor dem Tag schlug, an dem Kolumbus auf einer sonnigen kleinen Insel in der Karibik das Monster der Technologie freisetzte.
    Aber für Predigten hat Tierwater nichts übrig. Er will nur erklären, was in jener Nacht geschah, die sich in ihn gebohrt hat wie ein Widerhaken, wie eine Kugel, die zu dicht neben dem Knochen steckt, als daß man sie entfernen könnte, und wie diese Nacht damals den Beginn markierte, den wahren Beginn all dessen, was noch folgen sollte.
    Also gut.
    Als sie eintreffen, ist es noch dunkel, Viertel nach vier auf seiner Uhr, und die Säcke mit Fertigbeton – dreißig Stück – warten schon auf sie, keine drei Meter neben der Straße. Andrea bemerkt sie als erste im mattroten Schein ihrer Taschenlampe – Wachtposten oder nicht, es wäre Wahnsinn, hier mit Strahlern herumzuleuchten, und rotes Licht, so hat sie erläutert, zerstört die Nachtsicht nicht so wie grelles Weiß. Schweigend wuchten sie den Beton auf die Straße hinauf – alle vier, auch Sierra, obwohl für sie die Dreißigkilosäcke eine beachtliche Last darstellen. »Sei nicht albern, Dad«, sagt sie, als er sie fragt, ob sie das schafft – sie flüstert es vielmehr, flüstert mit belehrendem Tonfall: »wenn in Burma ein Bauer oder Kuli oder so, der kaum mehr wiegt als ich, von früh bis spät Sechzigkilosäcke mit Reis buckelt und dafür um die zweiunddreißig Cents pro Tag kriegt, dann kann ich das hier auch schleppen.«
    Er will etwas antworten, um die Spannung zu lockern, die keiner außer ihm zu spüren scheint, etwas

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