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Ein Freund der Erde

Ein Freund der Erde

Titel: Ein Freund der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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ein Kind, und das ist lange her. Soweit er weiß, kippten sie die Säcke einfach in einen handbetriebenen Mischer und fügten Wasser aus einem Schlauch zu. Also brauchte man einen Betonmischer, oder was? Andrea glaubt sich daran zu erinnern, wie sie mit ihrem Vater auf der Ranch in Montana Zaunpfähle einbetoniert hat, und Tierwater hat ein vages Bild davon, wie sein Vater auf einer jener Baustellen Dynamitstangen plaziert hat, danach flogen Steine durch die Luft, rums, aber was Beton angeht, hat er keine Ahnung. »Ich glaube, man kippt einfach die Fertigmischung in den Graben, verteilt sie einigermaßen und fügt dann Wasser zu, bis man die richtige Konsistenz hat«, faßt er mit der ganzen Autorität eines Studenten zusammen, der zweimal in Chemie durchgeflogen ist.
    Andrea ist skeptisch. »Klingt wie ein Rezept für Kuchenteig.«
    Teo: »Was heißt denn Konsistenz? Klar, das Zeug bindet schnell ab, aber wenn wir es zu flüssig anrühren, wird es nie in zwei Stunden fest, und mehr Zeit haben wir nicht.«
    Sierra stöhnt entnervt auf. »Ich fasse es einfach nicht – ich meine, ihr seid drei Erwachsene, und wir latschen den weiten Weg hier raus, alles prima geplant und so, und keiner von euch weiß, wie das geht? Kein Wunder, daß meine Generation am Ende nichts als eine Wüste erben wird.« Er hört das geplagte Klatschen ihrer knochigen Hände, mit dem sie Moskitos exekutiert. »Noch dazu bin ich müde. Echt monstermäßig müde. Ich will nach Hause in mein Bett.«
    Er denkt die Sache durch. Wie schwer kann es schon sein? Die Leute, die so was beruflich machten – also, betonieren –, waren jakaum mit Genies zu verwechseln. »Was steht denn drauf? Ist eine Gebrauchsanleitung auf dem Sack?«
    »Kneif ein Auge zu«, warnt ihn Andrea, »so geht dir nicht gleich die ganze Nachtsicht flöten, nur für alle Fälle, meine ich, falls irgendwer...« Und dann knipst sie die Lampe an. Schlagartig explodiert die Welt zu Licht, und es ist eine neue Welt, erdfarben und eng umschrieben, die Betonsäcke wie vollgestopfte braune Kissen, die Röhren ihrer Beine, die geschwärzten Turnschuhe. Dummerweise hat er sein gutes Auge geschlossen – das, mit dem er in der Nähe scharf sehen kann –, deshalb muß er doch das andere öffnen und einen gefährlichen Moment der Nachtblindheit riskieren, um die Aufschrift auf dem Sack zu lesen.
    King-Kong-Beton, steht da über dem Bild eines Zeichentrickaffen mit Sonnenbrille, der eine Schubkarre herumfährt. »Qualitäts-Fertigbeton. Anwendung: Inhalt mit Wasser zur gewünschten Konsistenz anmischen. Außer Reichweite von Kindern aufbewahren«, liest er vor.
    »Da wären wir wieder bei der Konsistenz«, sagt Teo und scharrt mit den Füßen neben dem Sack, das ist alles, was von ihm zu sehen ist, seine Füße – seine zierlichen Füße, die nicht größer als die von Sierra sind – in dem Lichtkegel, der sich aus Andreas Hand ergießt. Aber Tierwater kann ihn sich vorstellen: stämmig und muskulös, der Oberkörper gestählt vom Gewichtheben und vom Surfen mit dem Longboard in der Brandung, ein feingeschnittenes Gesicht, Handgelenke und Fußknöchel schmal wie bei einem Mädchen. Er ist so klein und muskelbepackt, daß er eine eigene Rasse vertreten könnte, eine Art menschlicher Terrier, furchtlos, unermüdlich, hartnäckig und mit einem Kläffen wie – aber genug. Sie brauchen ihn hier. Sie brauchen ihn, damit er sagt: »Scheiße, jetzt kippen wir das Zeug einfach rein und bringen die Sache zu Ende.«
    Also tun sie das. Sie schlitzen die Säcke auf und lassen sie von der verläßlichen Schwerkraft leeren. Fluchend und nach Insekten schlagend, schleppen sie in dem dichter werdenden Moskitomiasma das Wasser herbei und kippen die Eimer ohne viel Federlesens über den Fertigbeton. Dann mischen und verteilen und rühren sie, bis der Graben mit einer einheitlichen Masse gefüllt ist, die an kalte Lava erinnert, und endlich ist die Stunde gekommen. »Seid ihr bereit?« flüstert Tierwater. »Teo außen, Andrea neben Teo – und Sierra, du zwischen Andrea und mir, okay?«
    »Hast du nicht etwas vergessen?« Das ist Andrea. Sie ist erschöpft, aber sie erobert die Initiative zurück.
    Er sieht sich im Dunkeln zu ihr um, eine nutzlose Geste. »Nein, was denn?«
    Ein leise trällender Tonfall, ein Hauch von Zufriedenheit. Sie hat ihre Hausaufgaben gemacht, den Film gesehen, das Gedicht auswendig gelernt, mit ihrem inneren Selbst Kontakt aufgenommen. Sie weiß, was Sache ist, und er nicht. »Der

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