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Ein froehliches Begraebnis

Ein froehliches Begraebnis

Titel: Ein froehliches Begraebnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ljudmila Ulitzkaja
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äußersten Flaschen und machte darauf einen Handstand. Ihre Schuhspitzen erstarrten vor dem violetten Hintergrund des Himmels. Alle, die mit dem Blick zum Fenster saßen, sahen Irina auf den Händen stehen und verstummten.
    Der Schriftsteller, der nichts bemerkt hatte, erzählte gerade eine lustige Geschichte über einen gestohlenen Generalsmantel und lachte schallend.
    Alik wollte zum Fenster, aber Irina lief bereits auf Händen über die Flaschen. Sie umfaßte den Hals einer Flasche mit beiden Händen, löste dann eine Hand, tastete nach der nächsten Flasche, hielt sie fest und verlagerte das Gewicht ihres angespannten Körpers darauf. Der Schriftsteller tönte noch ein bißchen und brach ab. Er spürte: Irgend etwas geschah hinter seinem Rücken. Er drehte sich um, und seine schon feisten Wangen zitterten – er war nicht schwindelfrei. Das Haus war gar nicht hoch, nur anderthalb Etagen, höchstens fünf Meter insgesamt. Aber die Physiologie schert sich nicht um Arithmetik.
    Aliks Hände wurden feucht, über seinen Rücken lief der Schweiß in Strömen. Nelka Kasanzewa, die Hausherrin, auch ein heißblütiges Weib, polterte die Holztreppe hinunter und rannte auf die Straße.
    Irina war inzwischen bei der letzten Flasche angekommen, zog gewandt die Beine an, setzte sich aufs Dach und rutschte am glitschigen Abflußrohr nach unten. Nelka stand schon da und rief:
    »Lauf weg! Schnell, lauf«
    Sie hatte Aliks Gesichtsausdruck gesehen und sofort reagiert. Irina rannte in Richtung Metrostation Kropotkinskaja, aber es war zu spät. Alik packte sie an den Haaren und versetzte ihr eine Ohrfeige.
    Noch zwei Jahre quälten sie sich, konnten sich nicht trennen, doch mit dieser Ohrfeige war das Beste zu Ende. Dann trennten sie sich. Sie konnten einander weder verzeihen noch aufhören, sich zu lieben. Ihr Stolz war teuflisch. An jenem Abend war Irina doch noch mit dem Schriftsteller mitgegangen. Und Alik hatte nicht mit der Wimper gezuckt.
    Irina zog als erste einen Schlußstrich: Sie ging in eine Trapezgruppe, zur Konkurrenz, ihr Großvater verfluchte sie, und sie fuhr für den ganzen Sommer mit dem Zirkus auf Gastspiel. Und Alik versuchte sich das erstemal als Emigrant: Er zog nach Piter.
    Alik öffnete die Augen. Er spürte noch die Hitze, die von dem sonnengewärmten Dach des baufälligen Hauses in der Afanassjewgasse ausging, seine Muskeln schienen noch zu zittern vom stürmischen Lauf die Holztreppe hinunter, und die Erinnerung war im Traum stärker als in seinem Gedächtnis, denn er bemerkte Details, die er längst verloren glaubte: die angeschlagene Tasse mit dem Karl-Marx-Bild, aus der der Hausherr immer trank; an Irinas Hand den Ring mit dem toten grünen Türkis in der dunkelblauen Fassung, den sie bald darauf verlor; die rassige weiße Strähne im dunklen Haar des zehnjährigen kleinen Kasanzew.
    Die Sonne neigte sich bereits nach New Jersey, das Licht fiel schräg ins Fenster direkt auf Alik, und er blinzelte. Joyka saß neben ihm auf dem Bett, las ihm, weil er sie darum gebeten hatte, aus der »Göttlichen Komödie« im Original vor und erzählte ziemlich verworren jede Terzine auf englisch nach. Alik verriet ihr nicht, daß er ganz gut Italienisch konnte. Er hatte fast ein Jahr in Rom gelebt, und die fröhlich ratternde Sprache hatte sich ihm eingeprägt wie ein Handabdruck in Lehm. Doch nun waren alle seine Begabungen ohne Belang: sein fabelhaftes Gedächtnis, sein feines musikalisches Gehör, sein Talent als Maler. Das alles nahm er mit sich, selbst so unnütze Fähigkeiten wie die, Tiroler Lieder zu jodeln und erstklassig Billard zu spielen.
    Valentina massierte sein taubes Bein, und ihr schien, als komme etwas Leben in seine Muskeln.
    Während Alik in schläfrigem Vergessen dämmerte, war Arkascha Libin mit einer neuen Klimaanlage und seiner fast neuen Freundin Natascha eingetroffen. Libin mochte häßliche Frauen, wobei er einen ganz bestimmten Typ bevorzugte: zierlich, mit breiter Stirn und winzigem Mund.
    »Libin strebt nach Vollkommenheit«, hatte Alik vor kurzem noch gewitzelt. »Bei Natascha paßt noch knapp ein Teelöffel in den Mund, die nächste wird er nur mit Makkaroni füttern.«
    Libin hatte vor, die kaputte Klimaanlage abzubauen und die neue anzubringen, und zwar allein, obwohl selbst Profis dafür immer zu zweit kamen.
    Erfolgversprechende russische Selbstsicherheit. Er stellte die Flaschen vom Fensterbrett auf den Fußboden, nahm die Jalousie ab, und im selben Augenblick, wie durch ein

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