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Ein Ganz Besonderer Fall

Ein Ganz Besonderer Fall

Titel: Ein Ganz Besonderer Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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verantworten, da sie ihren Auftrag nicht ausgeführt hatten.
    Die Priorin war schon aufgestanden, um dem Besucher zu zeigen, daß das Gespräch beendet und er entlassen sei, doch sie hatte noch etwas zu sagen.
    »Ihr sagt, sie habe eine Mitgift für den Eintritt bei sich gehabt? Ich weiß natürlich nicht, wie hoch sie war, aber… es gibt böse Menschen auf den Straßen…«
    »Sie hatte vier Männer bei sich, sie zu bewachen!« rief Nicholas in einem letzten verzweifelten Aufbegehren.
    »Und die wußten, was sie bei sich hatte? Gott verhüte«, erklärte die Priorin, »daß ich einen anständigen Mann verdächtige, aber leider leben wir in einer Welt, in der von vier Männern zumindest einer käuflich sein kann.«
    Er ging immer noch benommen in die Stadt, unfähig, mit kühlem Kopf nachzudenken, unfähig, zu begreifen und zu fassen, was er schweren Herzens schon ahnte. Es wurde dunkel, und er war zu müde, um ohne Schlaf weiterzureisen.
    Außerdem mußte er sein Pferd versorgen. Er fand ein Wirtshaus, das ihm ein schlichtes Bett und seinem Tier einen Stall und Futter zur Verfügung stellen konnte. Er lag lange wach, bevor sein erschöpfter Körper endlich sein Recht forderte.
    Er hatte eine Antwort, aber er wußte nicht, wie er sie verstehen sollte. Sicher war, daß sie nie durch die Tore von Wherwell getreten war, und deshalb war sie auch nicht im Feuer gestorben. Aber - drei Jahre und kein Wort und kein Zeichen! Ihr Bruder hatte sich nicht um die Halbschwester gekümmert, die er kaum kannte, da er sie wohlbehalten an einem Ort glaubte, den sie selbst gewählt hatte. Und nie war eine Nachricht von ihr gekommen. Wer hätte sich auch wundern oder nach ihr fragen sollen? Klosterfrauen sind in ihrer Gemeinschaft gut aufgehoben, sie haben ihre Schwestern um sich und brauchen die Welt nicht mehr - und was könnte die Welt noch von ihnen erwarten? Drei Jahre Schweigen sind bei einer Frau, die das Schweigen zu pflegen gelobt hat, nichts Ungewöhnliches; aber drei Jahre Schweigen wurden jetzt zu einem Abgrund, in den Julian Cruce gestürzt sein konnte wie in einen Ozean, um spurlos zu versinken.
    Nun blieb nichts weiter zu tun, als eilig nach Shrewsbury zurückzureiten, den schlimmen Fehlschlag seiner Mission zu gestehen und nach Lai weiterzuziehen, um Reginald Cruce die gleiche schreckliche Geschichte zu erzählen. Nur dort konnte er hoffen, einen weiteren Faden zu finden, dem er folgen konnte.
    Er machte sich früh am Morgen auf den Rückweg nach Winchester.
    Am Spätvormittag erreichte er die Stadt. Er hatte sie klugerweise nicht auf direktem Wege durchs Westtor verlassen, das vom Königsschloß mit der feindlichen und inzwischen sicher verzweifelten Garnison beherrscht wurde. Doch einige Zeit, bevor er die Stelle erreichte, an der er vorsichtshalber nach Osten abbiegen und die Stadt im Süden bis zu einem sicheren Eingang umrunden wollte, bemerkte er vor sich ein wirres Gemurmel, das sich von leisem Murren zu pochendem Lärm verstärkte, zu einem stählernen Klirren, zu Krachen und Schreien, zu den Geräuschen eines Kampfes, eines nahen und heftigen und verzweifelten Kampfes. Das Zentrum schien links vor ihm zu liegen, ein gutes Stück von der Stadt entfernt, und die Luft in dieser Richtung war erfüllt von glitzerndem Staub, der von kämpfenden und fliehenden Menschen aufgewirbelt wurde.
    Nicholas gab sofort den Gedanken auf, zum bischöflichen Hospiz in St. Cross oder zum Osttor abzuschwenken, und ritt mit voller Geschwindigkeit zum Westtor. Und dort sah er die Bewohner Winchesters rufend und aufgeregt ins offene Sonnenlicht hervorbrechen. Die Straßen waren voller Menschen, die laut, überschwenglich und furchtlos riefen. Alle erkundigten sich schreiend nach Neuigkeiten oder teilten laut brüllend die Neuigkeiten mit, die sie wußten. Anscheinend hatten sie all die Verstohlenheit und Vorsicht abgeschüttelt, die sie so lange gehemmt hatte.
    Nicholas faßte einen großen Mann an der Schulter und brüllte ihm seine Frage ins Ohr: »Was ist hier los? Was ist geschehen?«
    »Sie sind fort! In der Morgendämmerung hinausmarschiert, die Frau und ihr königlicher Onkel aus Schottland und alle ihre Anführer! Es hat sie wenig gekümmert, als wir gemeinen Menschen am Verhungern waren, aber als sie selbst der Hunger biß, das war etwas anderes. Hinaus sind sie, alle zusammen - zuerst sogar noch in guter Ordnung. Aber Ihr solltet sie jetzt sehen! Die Flamen haben sie aus der Stadt gelassen, ehe sie zuschlugen, damit uns

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