Ein Ganz Besonderer Fall
stellen muß. Ich will versuchen, Adam Heriet unter Meulans Männern zu finden oder zu erfahren, wann und wie er sie verließ. Ihr könnt dasselbe hier tun, denn er mag eines Tages seine Verwandten aufsuchen. Fällt Euch etwas Besseres ein? Oder etwas anderes, das wir unternehmen könnten?«
Reginald erhob sich vom Tisch, und die Lampe spuckte im Luftzug. Ein großer, dunkelhäutiger Mann, der diesen Anschlag auf sein Haus mit grimmigem Gesicht aufnahm. »Das ist eine gute Idee, und so wollen wir es tun. Ich lasse ihn morgen die Liste kopieren - er ist ein penibler kleiner Bursche, der alles genau im Auge behält -, und dann werde ich mit Euch nach Shrewsbury reiten und Hugh Beringar aufsuchen, um die Angelegenheit in Gang zu bringen, ehe ein weiterer Tag verstrichen ist. Wenn dieser oder ein anderer Bösewicht meinem Haus einen Mord oder Raub angetan hat, dann will ich Gerechtigkeit und Genugtuung.«
Nicholas stand mit seinem Gastgeber auf und ging so müde in das Bett, das man ihm bereitet hatte, daß er trotz seiner Sorgen bald einschlief. Gerechtigkeit wollte Reginald. Aber was bedeutete Gerechtigkeit in diesem Fall? Er plante und dachte wie ein Mann, der einer Spur folgte, und er mußte sie mit aller Kraft verfolgen, da er keine andere Möglichkeit sah, aber er konnte und wollte nicht daran glauben. Was er vor allem anderen in der Welt wollte, war frische Luft atmen, die in einer anderen Ecke der Welt wehte. Er wollte glauben, daß sie nicht tot war. Der Knoten aus Verdacht und Geldgier und Verrat sollte sich in Luft auflösen und als Hirngespinst entpuppen, das fortwehte, wenn der Morgen kam. Aber der Morgen kam, und alles war wie zuvor. Nichts hatte sich verändert.
Diese beiden Männer, die nur durch ihre Aufgabe verbunden waren und außer ihr nichts gemeinsam hatten, ritten zusammen nach Shrewsbury, bewaffnet mit zwei sauber geschriebenen Listen der Wertgegenstände und der Barschaft, die Julian Cruce als Mitgift für ihren Eintritt ins Kloster mitgenommen hatte. Hugh war aus der Stadt heruntergekommen, um mit Abt Radulfus zu Mittag zu essen und ihm über die jüngsten Entwicklungen der politischen Wirren in England zu berichten.
Die Flucht der Kaiserin zu ihrer Festung im Westen, die Vernichtung eines großen Teils ihrer Truppen und die Gefangennahme von Graf Robert von Gloucester, ohne den sie ohnmächtig war, veränderten das Machtgefüge, wenn auch die erste Wirkung darin bestand, daß zunächst alle Bewegungen erlahmten. Der Abt hätte nicht unbedingt Interesse für den Streit der Parteien zeigen müssen, doch trug er eine Mitra und hatte einen Platz im Kirchenrat, und das Wohlergehen der Menschen und der Kirche lag ihm sehr am Herzen. Sie hatten sich lange, am reich gedeckten Tisch des Abtes beraten, und Hugh konnte erst am Nachmittag Cadfael im Kräutergarten aufsuchen.
»Habt Ihr gehört, was Nicholas Harnage mir gestern berichtete? Er sagte, er sei zuerst hierher zu seinem Herrn gekommen. Robert von Gloucester wird oben in Rochester gefangen gehalten, und im Augenblick steht alles still, weil beide Seiten über ihren nächsten Schachzug nachdenken. Wir überlegen uns, wie wir Robert am besten benutzen können, und sie, wie sie ohne ihn überleben können.« Hugh setzte sich auf die schattige Steinbank und streckte behaglich die Stiefel aus. »Und nun beginnt der Streit. Die Kaiserin sollte lieber den König freigeben, denn sonst wird auch Robert angebunden.«
»Ich bezweifle, daß sie das genauso sieht«, sagte Cadfael.
Er hielt inne und stützte sich auf die Hacke, um ein Unkraut aus den sauberen, duftenden Beeten zu zupfen. »Jetzt ist Stephen mehr denn je ihre wichtigste Waffe. Sie wird versuchen, den höchsten Preis für ihn zu erzielen, und ihr Bruder wird ihr da kaum reichen.«
Hugh lachte. »Wie mir der junge Harnage berichtete, denkt Robert ganz ähnlich. Er will nicht gegen den König ausgetauscht werden, weil er nicht den gleichen Wert wie ein König habe. Um einen gerechten Ausgleich zu schaffen und Stephens Gewicht aufzuwiegen, müßten wir auch alle Männer freigeben, die mit ihm gefangen wurden. Aber wartet nur! Soll die Kaiserin nur genauso denken. Es wird keinen Monat dauern, bis kluge Männer ihr erklärt haben, daß sie ohne Robert überhaupt nichts anfangen kann. Sie wird nie wieder nach London eingelassen werden und nie mehr in Reichweite der Krone kommen, und obwohl sie Stephen gefangen hält, ist er immer noch der König.«
»Nur Robert wird schwer zu überzeugen
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