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Ein Ganz Besonderer Fall

Ein Ganz Besonderer Fall

Titel: Ein Ganz Besonderer Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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hindurchgetrieben und waren nicht mehr weit von einem möglichen Unterschlupf in Frankwell entfernt.
    Sie wurden trotz der schützenden Decke durchnäßt. Wasser platschte im Boot, kalt und träge; lästig, aber keine Gefahr. Sie fuhren mit der Strömung, die durch Blätter und Aststücke verunreinigt war, die Schlamm mit sich führte und in Strudeln heftig kreiste. Doch sehr bald schon konnten sie in Frankwell landen und im nächsten Gebäude Schutz suchen und warten, bis dieser Aufruhr und diese Naturgewalten vorbei waren.
    Der Donner sammelte seine Kraft und brüllte, daß ihnen die Ohren platzten. Der Blitz kam gleichzeitig mit dem Donner, blendend hell. Fidelis öffnete erschrocken die nassen Augen und sah gerade noch die älteste, unförmigste Weide am linken Ufer einen Sprung tun. Sie wurde von der Flamme gespalten, ihre Wurzeln wurden durch den Stoß halb aus dem feuchten, glitschigem Erdreich gerissen. Dann wurde der Baum zu einer feurigen Blüte, kippte auf den Fluß herunter und flammte im Fallen immer heller auf.
    Madog warf sich über Humilis. Wie ein Stein aus einer Schleuder krachte der Baum auf den Bug des Schiffes, durchbrach die Seitenwände und spaltete es wie ein Ei. Stamm und Boot und Fracht wurden tief ins schmutzige Wasser hinabgerissen. Der Brand erstarb mit einem gewaltigen Zischen. Es wurde dunkel, plötzlich war alles kalt und die Bewegungen bleischwer. Sie wurden zwischen die kreisenden Pflanzen und den Schutt gerissen, die der Sturm mit sich trug und schnell vorbeitrieb, und wurden unausweichlich der Ruhe und der Stille des Todes entgegengezogen.
    Fidelis wehrte sich und kämpfte mit stechendem Herzen gegen die Verzweiflung, gegen Krämpfe, gegen das schreckliche Gewicht seiner Kutte, gegen die wirbelnden und trommelnden Äste und die fesselnden Ranken. Er kam an die Oberfläche und holte tief Luft, klammerte sich an Blätter, die durch seine Finger glitten, und packte begierig einen Ast, der nicht nachgab und ihm half, den Kopf über Wasser zu halten.
    Er schüttelte keuchend das Wasser ab und öffnete die Augen, um in die heulende Dunkelheit zu starren. Ein Käfig aus zerbrochenen Zweigen umgab und hielt ihn. Gerissene, aber immer noch zäh klammernde Wurzeln verankerten die Weide, die sich im brodelnden Strom hob und senkte. Eine Decke aus dem Boot wand sich wie eine Schlange um seinen Arm und riß ihn fast fort. Er zog sich am Ast entlang, suchte mit aller Kraft nach einer treibenden Hand, einem bleichen Gesicht, das in dieser chaotischen Finsternis aufleuchten mußte wie ein Gespenst.
    Ein Stück schwarzes Tuch schlängelte sich vorbei und wurde durch die peitschenden Äste getrieben. Ein Ärmel tauchte auf, eine bleiche Hand zog vorbei und ging wieder unter. Fidelis ließ los und warf sich hinterher, befreite sich aus dem Baum, tauchte unter die trommelnden Zweige. Der Saum des Gewandes glitt durch seine Finger, doch er konnte in die Falten der Kapuze greifen und versuchte, nach Frankwell hinüberzukommen, um den treibenden Trümmern der Weide zu entgehen. Er hielt verzweifelt fest, suchte einen besseren Griff und hielt Humilis’ schlaffen Körper hoch. Wieder gingen sie zusammen unter. Dann war Madog neben ihnen und nahm Fidelis den bewußtlosen Körper aus den Armen, die ihn nicht mehr halten konnten.
    Fidelis trieb einen Augenblick wehrlos fort, in einer Erschöpfung, in welcher der Gedanke an den Tod gefährlich verlockend war. Lieber alles fahren lassen, den Kampf aufgeben und sich willig dem Zug des Stromes ergeben.
    Und der Strom nahm ihn und setzte ihn sachte im schlammigen Gras am Ufer ab und warf ihn mit dem Gesicht nach unten neben Bruder Humilis, über dem Madog vom Totenboot sich vergeblich mühte.
    Der Regen ließ plötzlich einen Augenblick nach, und der Wind, der heftig geatmet und gequält gepfiffen hatte, schlief einen Augenblick ein. Die Dämonen des Donners zogen grollend und knurrend stromab und schenkten ihnen zwischen ihrem Toben eine totenstille, völlig ruhige Atempause. Und in der Stille erhob sich ein gewaltiger Schrei, der von Verlust und Beraubung und von Kummer sprach, über den Severn und erschreckte die schweigsam in den Büschen kauernden Vögel.
    Der Schrei hallte in langen Echos von Ufer zu Ufer den Fluß hinunter und bezeugte einen Verlust, der durch nichts auf der Welt zu heilen war.

13. Kapitel
    Nicholas hatte Shrewsbury fast erreicht, als sich der Himmel unheildrohend verdunkelte. Er ritt schneller, um in der Stadt ein schützendes Dach zu

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