Ein ganz besonderer Sommer
jedoch erkennen, dass brennende Kerzen auf den Tischen standen. Die Eingangstür, von zwei gestutzten Buchsbäumchen flankiert, hätte genauso gut zu einem Privathaus gehören können. Doch innen zeigte sich das Lokal in festlicher Pracht. Die runden Tische waren mit rosa Tischdecken und ebensolchen Servietten gedeckt, frische Blumen in dazu passenden Farben standen aufjedem Tisch, daneben Silberleuchter mit weißen Kerzen. Die silbernen Platzteller reflektierten vielfach das warme Licht.
„ Wow ! Ist das nicht einen Tick zu vornehm für uns?“, flüsterte Bille ihrem Stiefvater zu.
Der lachte vergnügt. „Im Gegenteil. Es ist der passende Rahmen für die beiden Damen, die ich heute bewirten möchte. Simon ist sozusagen als Zeuge dazu geladen.“
Onkel Paul wechselte leise ein paar Worte mit dem Kellner, und der leitete sie an einen der schönen Ecktische, von denen aus man das ganze Lokal überblicken konnte. Er setzte das Schild „Reserviert“ zur Seite und rückte den beiden Damen die Stühle zurecht. Bille blinzelte Simon zu. Daran könnte man sich direkt gewöhnen !, sagte ihr Blick.
„Ich schlage vor, wir trinken zuerst mal ein Glas Champagner“, wandte sich Onkel Paul an den Kellner. „Zur seelischen Stärkung.“
„Das hört sich an, als müsstest du etwas sehr Ernstes mit uns besprechen.“ Bille sah ihren Stiefvater neugierig an.
„Ja, dürfen wir das jetzt endlich erfahren?“ Mutsch lachte, fast ein bisschen nervös. All die Feierlichkeit war ihr unheimlich, obwohl sie wusste, dass es sich bei dem Geheimnis wohl kaum um etwas Unangenehmes handeln konnte.
„Erst wollen wir mal in aller Ruhe die Karte studieren und unser Menü zusammenstellen“, sagte Onkel Paul und suchte in seinen Taschen nach der Lesebrille. „Ganz ausgezeichnet soll hier der Fisch sein. Aber auch die Wildgerichte sind sehr zu empfehlen.“
„Merkt ihr was? Er will euch auf die Folter spannen“, stellte Simon schmunzelnd fest. „Also, ich weiß schon, was ich nehme Es dauerte nicht lange, da hatte sich jeder sein Menü ausgesucht. Der Kellner brachte den Champagner und nahm die Bestellung auf. Bille fürchtete, nun würde Onkel Paul ankündigen, dass man erst einmal in aller Ruhe essen wolle, bis er sein Geheimnis lüften würde. Doch er hatte Mitleid mit seinen beiden Lieblingsfrauen, wie er sie nannte. Er hob sein Glas und prostete erst Mutsch, dann Bille zu.
„Also“, begann er feierlich, nachdem er einen großen Schluck genommen hatte, „mir ist da schon lange etwas durch den Kopf gegangen. Einerseits deinetwegen, Olga, die du seit Monaten viel zu viel gearbeitet hast, obwohl dich der Arzt immer wieder ermahnt, deiner Gesundheit zuliebe kürzer zu treten. Du siehst mir in letzter Zeit viel zu blass aus, und abgenommen hast du auch. Du musst hier dringend mal raus, richtig Urlaub machen, Abstand kriegen von deinem Alltag mit seinen vielen Pflichten.“ Mutsch hob die Hände und wollte protestieren, aber Onkel Paul ließ es nicht zu.
„Ich weiß, ich weiß, aber hör mich bitte erst zu Ende an. Ich kann im Moment aus dem Geschäft nicht weg, das wisst ihr. Aber da ist ja auch noch eine andere Dame, der ich etwas schulde. Bille, du hast - im Gegensatz zu vielen deiner Freunde - von deinen Eltern bisher nichts zum bestandenen Abitur bekommen. Natürlich hast du immer wieder betont, es interessiere dich nicht, zum Beispiel erst mal eine große Reise zu machen. Du wolltest dich weder von Simon noch von deinen Pferden trennen und wünschtest dir bei Gelegenheit lieber einen neuen Turniersattel. Aber das hat mich nicht daran gehindert, darüber nachzudenken, wie ich meinen zwei Lieblingsfrauen vielleicht gemeinsam eine Freude machen könnte, bei der sich beide erholen und neue Eindrücke sammeln können. Neue - und alte.“
„Alte?“, fragte Bille amüsiert. „Was meinst du damit?“ Mutsch schien etwas zu ahnen, jedenfalls wurde sie abwechselnd blass und rot und hing an Onkel Pauls Lippen. Auch Simon dämmerte etwas. Hatte Onkel Paul ihn nicht kürzlich gebeten, ihm seine Pferdefachzeitschriften zu leihen und sich erkundigt, ob auch etwas über Reiterferien darin stünde?
„Ja, alte.“ Onkel Paul ließ sich Zeit, er nahm einen weiteren Schluck und blickte versonnen in sein Glas. „Was du vielleicht nicht weißt, Bille, ist, dass deine Mutter hin und wieder davon gesprochen hat, wie gerne sie ihre alte Heimat einmal Wiedersehen würde, an die sie nur noch schwache Kindheitserinnerungen hat. Nun gibt es
Weitere Kostenlose Bücher