Ein ganz besonderer Sommer
In Windeseile packten sie zusammen und banden die Pferde los. Als Letzter stieg Tom in den Sattel. Bille hatte beobachtet, wie er das dunkle Bündel im flachen Wasser liegen ließ, das er neben Zottel herausgezogen hatte. Zum Glück war weit und breit niemand zu sehen. Eilig trieben sie die Pferde an und trabten auf dem kürzesten Weg nach Groß-Willmsdorf zurück. Dort, auf Johnnys Terrasse, hatte Bettina gemeint, könne man das Picknick genauso genießen.
„Und?“, fragte Bille, als sie die Pferde und Ponys auf die Koppel gebracht hatten. „Verratet ihr mir jetzt, was es mit Zottels Beute auf sich hatte?“
„Das war kein Proviant“, sagte Tom grinsend. „Das waren die Klamotten von dem Dicken. Hose, Hemd, Unterwäsche, Krawatte, Sakko, Gürtel . . . und in den Sakko-Taschen befand sich eine Tüte mit Schokoladenkeksen und ein Apfel. Ich habe nichts davon angerührt, er findet alles so, wie es war. Naja , vielleicht nicht ganz so.“
Onkel Pauls Geschenk
„Hab ich irgendwas Wichtiges vergessen? Einen Geburtstag oder etwas in der Art?“, erkundigte sich Simon und zog Jamaikas Sattel vom Ständer. „Onkel Paul hat mich für heute Abend zu euch zum Essen eingeladen. Aber er wollte mir nicht verraten, warum.“
„Mir auch nicht“, sagte Bille, „er hat mich nur gebeten, pünktlich zu Hause zu sein und mich zum Essen umzuziehen. Tat mächtig geheimnisvoll. Und zu Mutsch hat er gesagt, sie solle sich hübsch machen, er würde uns alle einladen.“
„He! Da bin ich gespannt. Vielleicht kriegt er einen Orden verliehen. Das Bundesverdienstkreuz oder so.“
Bille tippte ihrem Freund lachend an die Stirn. „Du hast schon mal besser gesponnen. Küss mich lieber.“
„Mit vollen Händen?“
„Nee, mit dem Mund.“ Bille hängte San Pietros Kandare an den Haken, nahm Simon den Sattel ab und schlang ihre Arme um seinen Hals. „Ich sehe dich kaum noch, ich habe Entzugserscheinungen, merkst du das nicht?“
„Frag mich mal!“ Simon zog sie an sich und küsste sie. „Geht’s schon besser?“
„Ein bisschen.“
„Ich hatte ja gedacht, wir machen uns heute einen gemütlichen Abend zu Hause, aber ..
„Aber? Wir könnten Mutsch und Onkel Paul absagen, wenn du willst“, schlug Bille vor, obwohl sie dabei schon jetzt ein schlechtes Gewissen bekam.
„Unmöglich!“, protestierte Simon. „ Vergiss es, dazu bin ich viel zu neugierig auf das, was Onkel Paul da ausgeheckt hat!“, fügte er grinsend hinzu.
„Stimmt. Ich auch.“
„Na komm, gehen wir in die letzte Runde. Ich werde nur noch Jamaika reiten, die anderen können bei so viel Koppelgang ruhig mal aufs Training verzichten. Morgen hab ich den ganzen Tag frei, da hol ich es nach. Wen musst du dir jetzt vornehmen?“
„Oh, mit meinen geliebten Monstern bin ich fertig für heute. Ich habe nur noch diese Kleinigkeit zu erledigen.“ Leicht angewidert hob sie San Pietros Kandare hoch, die über und über mit einem grünlichen Brei aus Speichel und Gras verklebt war. „Hat mich ausgetrickst, der Bursche. Ich hab nur ein paar Takte mit Peter geredet, und schon hatte er wieder das Maul voller Grünzeug. Die Wälle um den Platz müssen dringend gemäht werden.“ Simon schüttelte grinsend den Kopf. „Dass du dich darüber noch wunderst! Das macht er doch jedes Mal.“
„Und jedes Mal ein bisschen schneller und unauffälliger. Auf dem letzten Turnier hat er mir nicht nur die frisch gewaschene Schabracke, sondern auch die Hose damit ruiniert.“ Ärgerlich begann Bille, das Kandarengebiss unter dem Wasserhahn abzuspülen und die Grashalme aus den Kinnkettenhaken und der Unterlegtrense zu pulen.
„Tja, was so ein leidenschaftlicher Vegetarier ist Simon rettete sich schnell aus Billes Schussweite , ehe sie den Wasserstrahl auf ihn lenken konnte. „Also, bis gleich!“
Zwei Stunden später saßen sie hinter Mutsch und Onkel Paul im Auto und fuhren nach Neukirchen hinein. Es gäbe da ein neues Lokal, das ihm sehr empfohlen worden sei, hatte Billes Stiefvater angekündigt, das würden sie jetzt einer genauen Prüfung unterziehen.
„Ich werde die Karte zur Probe rauf und runter essen“, hatte Bille ihm versprochen, „da kann ich dir hinterher genau sagen, ob der Koch was taugt. Ich habe einen Bärenhunger.“
„Oh ja, ich auch!“, murmelte Simon an ihrer Seite.
Von außen wirkte das Restaurant eher unauffällig. Durch das gelb eingefärbte Glas der Sprossenfenster konnte man nicht in den Gastraum sehen, flackernde helle Punkte ließen
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