Ein ganz besonderer Sommer
Hilfe
Dreieinhalb Wochen waren es noch bis zu ihrer Abfahrt. Neben den täglichen Pflichten begann Bille nun damit, sich auf die Reise vorzubereiten. Ihre lange Abwesenheit wollte gut organisiert werden. Wer gab für sie welche Reitstunden, wer bewegte ihre Pferde, wer kümmerte sich um ihre anderen Aufgaben im Stall? Zum Glück hatte man überall Verständnis dafür, dass sie nun auch einmal Urlaub machen wollte, und jeder in den drei Ställen erklärte sich bereit, einen Teil ihrer Arbeit zu übernehmen. Hannes und seine Assistentinnen sprangen für den Unterricht im Reitverein Wedenbruck ein, Johnny, Peter und Franca würden die Pferde im Schulstall trainieren, soweit sie das nicht ohnehin schon taten, und Simon und Hans Tiedjen übernahmen das Arbeiten mit den ihr anvertrauten Turnierpferden und Black Arrow . Und um Zottel kümmerte sich Mini sowieso aufopfernd.
In ihrer Freizeit vertiefte Bille sich in die Bücher, die Onkel Paul ihr besorgt hatte. Neben Reiseführern waren es vor allem Biographien, Erinnerungen von Autoren, die ihre Kindheit in Ostpreußen verlebt hatten. Auch Romane, die dort spielten, waren dabei, aber die hob Bille sich als Ferienlektüre auf.
Sie war gerade nach Hause gekommen, hatte geduscht und sich umgezogen, als das Telefon klingelte.
„Gehst du mal? Ich kann jetzt nicht vom Herd weg!“, rief Mutsch aus der Küche.
„Okay.“ Bille flitzte die Treppe hinunter und nahm ab.
„Hallo?“
„Bille, bist du’s? Hier ist Beppo!“ Er klang aufgeregt und erschöpft.
„Was ist los, Beppo? Ist was passiert?“
Mutsch sah durch den Türspalt, und Bille machte ihr ein Zeichen, dass das Gespräch sie betraf.
„Und ob was passiert ist! Wir sind ruiniert, wenn wir nicht sofort ein Pony mit einem guten Reiter finden - für ein paar Tage wenigstens.“
„Wer ist ruiniert? Wovon sprichst du? Wo bist du überhaupt - in der Disco? Was ist das für laute Musik im Hintergrund?“
„Ach, das ist nur ’ne Probe. Okay, ich erklär’s dir.“ Beppo wirkte gehetzt, er holte tief Luft, ehe er weitersprach. „Also, das ist so: Ich mache hier bei einem Musical mit, einem . . .“
„Gratuliere!“, unterbrach Bille ihn. „Deine Karriere hat ja schon super begonnen!“
„Nun hör mir doch erst mal zu!“, sagte Beppo gequält. „Es ist ein Pferde-Musical. Sie haben mich genommen, weil ich reiten kann. Das war ’ne Anfrage bei der Schauspielschule, bei der ich im Frühling die Aufnahmeprüfung gemacht habe. Die wussten außer mir keinen, der wirklich sicher im Sattel sitzt und dabei auch noch spielen kann . . .“
„Spitze! Und wo ist das Problem?“, erkundigte sich Bille.
„Gestern ist ein Kollege mit seinem Pony ausgefallen, sie haben hinter der Bühne einen Sturz gebaut und sind beide verletzt. Die Leute hier, also Evelyn und Jo, die das Ding produziert haben, kriegen so schnell keinen Ersatz, und da dachte ich . . .“
„. . . an Zottel“, vollendete Bille seinen Satz. „Das ist eine logische Schlussfolgerung .“
„Ja, und an dich. Denn dir gehorcht er am besten.“
„Wenn überhaupt“, fügte Bille hinzu.
Beppo seufzte tief. „Bitte, Bille, lass uns nicht im Stich!“
Mutsch kam aus der Küche und machte heftige Zeichen, dass das Essen fertig sei und kalt würde.
„Und wann müssten wir dann kommen? Wohin überhaupt?“, fragte Bille. Ihr schwirrte der Kopf.
„Nach Schloss Buchshausen. Das ist in der Nähe von Schwerin. Gleich morgen. Jede ausgefallene Aufführung ist eine finanzielle Katastrophe. Die Vorstellungen sind auf Wochen im Voraus ausverkauft.“ Beppo schrie fast ins Telefon, so aufgeregt war er. „Es ist nur eine kleine Rolle, Bille, überhaupt nicht schwer, aber sie ist unheimlich wichtig!“
„Beppo, gib mir zwei, drei Stunden Zeit zum Überlegen, du weißt, dass ich hier nicht so ohne weiteres wegkann. Ich glaube nicht, dass ich das einrichten kann.“
„Bille, ich flehe dich an! Bitte!!“
„Okay, gib mir deine Nummer, ich ruf dich zurück.“ Bille notierte sich Beppos Telefonnummer, dann fragte sie: „Und wie lange spielst du da schon mit? Bist du einfach so eingesprungen? Alle Achtung!“
Beppo zögerte mit der Antwort. „ N-nein , ich war von Beginn an dabei. Die Proben fanden in der Nähe von Kiel statt, da bin ich öfter mal rübergefahren . Eine Woche nach unserer Abiturfeier hatten wir Premiere.“
Bille glaubte nicht recht zu hören. „Du bist mir vielleicht einer! Warum hast du kein Wort davon erzählt? Wir wären doch alle
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