Ein ganz besonderer Sommer
Austricksen seiner Aufpasser“, erklärte Beppo kichernd. „Seine Heldentaten, was das betrifft, würden ganze Bücher füllen.“ Evelyn gab Zottels Drängen schmunzelnd nach und reichte ihm einen Apfelschnitz. Blitzschnell schob das Pony sein Maul an ihrer Hand vorbei in die geöffnete Tasche und fischte zusätzlich ein Stück Zucker und eine halbe Rübe heraus.
„He!“ Evelyn wich zurück und starrte das Pony kopfschüttelnd an. Dann applaudierte sie. „Die Nummer ist nicht schlecht, mein Junge. Ich sehe, du bist schon voll in Arbeitsstimmung, sehr gut, es geht gleich los!“
Bille war rot geworden. „Zottel, du bist unmöglich!“, jammerte sie.
„Ach was!“ Evelyn legte ihr lächelnd den Arm um die Schultern. „Er ist schwer in Ordnung, dein Freund. Blitzgescheit, sieht gut aus, und zu fett ist er auch nicht. Wir sehen uns in einer Viertelstunde drüben im Zelt. Bis dahin könnt ihr euch ein bisschen erfrischen. Beppo wird euch alles zeigen.“ Und schon lief sie mit federnden Schritten wieder davon.
Ein zauberhaftes Pferde-Märchen
Nach der ersten Probe schwirrte Bille der Kopf, auch wenn sie zugeben musste, dass ihre kurzen Auftritte nicht schwierig waren. Aber was gab es alles zu bedenken! Man musste darauf achten, dass man im Scheinwerferlicht blieb. Man durfte den musikalischen Einsatz nicht verpassen, musste den Text im richtigen Augenblick sagen, aufpassen, dass man nicht das Mikrofon abriss , das einem an der Backe klebte, die Kulissen nicht beschädigte, dem Publikum nicht den Rücken zudrehte - es nahm kein Ende!
Beppo erwies sich als große Hilfe. Er strahlte die Ruhe eines erfahrenen Profis aus, kannte Tricks, wie man die Schwierigkeiten umgehen konnte, wie man sich seinen Text am besten merkte, wie man die Sätze richtig betonte, die Bewegungen der Musik anpasste und sich von ihr tragen ließ, und vieles mehr.
Doch Billes größte Hilfe war Zottel selbst. Schon als sie sich dem Zelt näherten, hatte er aufgeregt die Ohren gespitzt und beim Einsetzen der Musik ungeduldig passagiert , als könne er seinen Auftritt kaum erwarten. Ganz selbstverständlich fand er sich mit dem begrenzten Raum ab, und die laute Geräuschkulisse durch die zahlreichen Mikrofone schien ihm nicht das Geringste auszumachen.
„Halt dich an Zottel, er macht das schon!“, tröstete Beppo Bille, als die erste Probe beendet war und sie sich in der Mittagspause auf den Weg zum Kantinenzelt machten. Zottel durfte sich inzwischen auf einer der Koppeln ausruhen. Vor dem Eingang blieb Beppo stehen. „Habt ihr großen Hunger?“
„Überhaupt nicht!“, beteuerte Bille. „Du kennst doch die Picknickkörbe meiner Mutter! Außerdem bin ich viel zu aufgeregt, um etwas zu essen.“
„Du solltest trotzdem etwas zu dir nehmen, es wird ein anstrengender Tag“, mahnte Beppo väterlich. „Aber erst muss ich euch meinen Liebling zeigen. Das Pferd, das ich bei der Vorstellung reiten werde.“
„Ist das nicht deine Sahida ?“, fragte Simon erstaunt. „Hätte ich die Ärmste schwarz färben sollen? Ich bin die böse Fee, ich kann nur einen Rappen reiten. Und was für einen! Kommt.“
Beppo trat in ihre Mitte und hakte sich bei ihnen unter, als müsse er sie am Weglaufen hindern. Energisch zog er die Freunde in das mittlere Stallzelt und leitete sie zur letzten Box. Fast feierlich öffnete er die Boxentür und trat ein. Sein Gesicht leuchtete auf, als stünde er am heiligen Abend vor dem Weihnachtsbaum. „Pablo, mein Kerlchen, komm zu Papa“, flötete er und streckte die Hand aus.
Ehrfürchtig blieben Bille und Simon vor der Boxentür stehen. Das „Kerlchen“ war ein außergewöhnlich großer Lusitano von einem schimmernden Blauschwarz, ohne ein einziges weißes Abzeichen. Eine Schönheit, die sogar Billes Black Arrow in den Schatten stellen konnte. Bille seufzte abgrundtief.
Beppo wandte sich irritiert zu ihr um. „Ist was?“
„Och, nichts“, sagte Bille beiläufig. „Ich musste nur gerade an etwas denken.“
„An Black Arrow ?“
„Nein. An das Drama, das sich abspielen wird, wenn das Musical eines Tages beendet ist und du dich von deinem Kerlchen trennen musst.“
Beppo sah sie bestürzt an. „Daran will ich lieber gar nicht denken!“, sagte er schnell.
Bevor sie das Stallzelt verließen, besichtigten sie auch die anderen Pferde, die jetzt ihre Siesta hielten. Unglaublich, welche Rassen da alle vertreten waren! Andalusier und Araber, mächtige Friesen und feingliedrige Orlowtraber , winzige
Weitere Kostenlose Bücher