Ein ganz besonderer Sommer
gegossen. Das starke Make-up in fahlgrauen und blauen Tönen und die mit dicken schwarzen Strichen umrandeten Augen machten sein weiches, immer etwas kindlich verschmitztes Gesicht zum gefährlichen Antlitz einer Göttin des Schreckens. In seiner Aufmachung wirkte er größer, als er war, und sein Auftritt auf dem temperamentvollen Rapphengst hatte etwas Bedrohliches. Das Eindrucksvollste aber war die Art, wie er seinen Text sprach. Mit tiefer, harter Stimme stieß er seine Verwünschungen gegen die Feenkönigin aus, und das Echo kam von allen Seiten zurück. In der Probe hatte Bille ihn noch nicht singen gehört, und als er jetzt seinen ersten Song brachte, lief ihr eine Gänsehaut über den Rücken. Nun verstand sie, warum er nur den Beruf des Schauspielers hatte wählen können. Das dort auf der Bühne war nicht mehr Beppo, das war wirklich ein mächtiges, böses Wesen, dessen einziger Wunsch es war, die Erde zu unterwerfen und zu verderben. Eine großartige Leistung, besonders wenn man bedachte, dass dies Beppos erste richtige Rolle war.
Applaus fur Zottel
Als die Pause näher rückte und es Zeit wurde, sich und Zottel zu kostümieren und ihn im Abreitezelt aufzuwärmen, erwachte Bille aus ihrer Verzauberung. Im gleichen Augenblick kehrte das Lampenfieber schlagartig zurück. Evelyn musste es geahnt haben, denn sie stand persönlich bereit, um ihr zur Hand zu gehen und ihr Mut zuzusprechen.
„Tief durchatmen. Du bist jetzt nicht mehr Bille, du bist Max, und Zottel ist Findegut . Stell dir die Szene mit den Augen und Ohren der Zuschauer vor“, riet sie ihr, während die Maskenbildnerin noch einmal Billes Gesicht kontrollierte und das kräftige Rot auf den Wangen und der künstlich verlängerten Nasenspitze verstärkte. „Außerdem wirst du sehen: Sobald du draußen bist und zu spielen beginnst, ist das Lampenfieber verflogen. Dann musst du dich nämlich so konzentrieren, dass für Aufregung gar kein Platz mehr in deinem Kopf ist.“
„Hoffentlich!“, stöhnte Bille.
„Nimm dir ein Beispiel an deinem Zottel!“ Evelyn schmunzelte. „Dem macht die ganze Geschichte riesigen Spaß, er kann’s kaum erwarten.“
„Du hast Recht, ich werde mich ganz auf ihn verlassen. So ein alter Profi wie er kann mir noch was beibringen.“ Nur gut, dass Simon im Zuschauerraum sitzt und mir die Daumen drückt, da kann eigentlich nichts schief gehen, fügte sie in Gedanken hinzu.
Dass Evelyn nicht übertrieben hatte, merkte Bille bald. Schon als sie im Kostüm des frechen Küchenjungen in den Sattel stieg, begann sie sich wie Max zu fühlen. Ihre Haare waren unter einer ballonartigen blauweiß karierten Kochmütze verborgen, und um die Verfressenheit des Küchenjungen zu betonen, hatte man ihr mit einem Kissenpolster einen kugelrunden Bauch verpasst . Zottels Trense bestand aus zerschlissenen roten Stricken, von denen seitlich Fransen hinunterhingen , der Sattel war durch eine ausgeblichene Flickendecke ersetzt worden. Der Schopf des Ponys war in der Mitte gescheitelt, die beiden Strähnen mit roten Schnüren zusammengehalten und mit reichlich Haarlack versteift, sodass man meinen konnte, Pippi Langstrumpf vor sich zu haben.
Bille drehte ein paar Runden in dem Abreitezelt , ließ Zottel kurz traben und galoppieren und ihn im Trab einige Schlangenlinien durch die Bahn gehen, bis Gerhard, der Inspizient, ihr zuwinkte, sich hinter der Bühne bereit zu halten.
Noch einmal schlug Bille das Herz vor Angst bis in den Hals hinauf, doch das Gefühl legte sich augenblicklich, als sie mit Zottel die Bühne betrat und ihr bereits beim ersten Erscheinen schallendes Gelächter aus dem Publikum entgegenklang.
Da Zottel so verfressen war, hatte sich Evelyn für die beiden einen besonderen Gag ausgedacht. Küchenjunge Max, den Zügel seines Ponys, das neben ihm herlief, lose über dem Arm, hielt beim Auftritt ein riesiges Kuchenstück in der Hand, auf dem ein Berg Schlagsahne thronte. Das Kuchenstück war aus Plastik, und auch von der Schlagsahne war nur die oberste Schicht echt. Es ging lediglich darum, dass Max gierig an der Sahne schleckte und Pony Findegut versuchte, etwas abzubekommen. Dass Zottel seine Rolle ernst nahm, war keine Frage. Energisch drängte er heran, schob die Zunge in Richtung der verführerischen Leckerei und schleckte geschickt die oberste Schicht der Sahne ab. Das Publikum jubelte. Sowohl Billes Gesicht als auch Zottels Maul waren mit reichlich Schlagsahne verziert.
Der Auftritt des zornigen Kochs machte dem
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