Ein ganz besonderer Sommer
natürlich jede Menge Publikum.“
„Und das andere große Zelt dahinten? Ist das der Stall?“, erkundigte sich Simon.
„Nein, die Ställe sind dort links bei den Koppeln. Das da ist das Abreitezelt .“
„So riesig!“ Bille staunte. „Das ist ja schon fast ’ne halbe Rennbahn.“
„Die brauchen wir auch.“ In Beppos Stimme klang unüberhörbar ein gewisser Stolz mit. „Schließlich müssen die Gespanne mit ihren Kutschen auch trainieren und sich vor der Vorstellung aufwärmen.“
„Natürlich.“ Dass auch Kutschen dabei sein könnten, daran hatte Bille noch gar nicht gedacht. „Erzähl mir was über das Stück, ich kann es mir ehrlich gesagt nicht so richtig vorstellen. Und wenn die Probe in einer halben Stunde beginnt. . .“ Bille schlug das Buch auf und blätterte es flüchtig durch. „Das alles zu lesen schaffe ich nie in der kurzen Zeit!“
„Du hast Recht.“ Beppo zeigte Simon die Richtung zum Parkplatz hinter den Stallzelten, dann wandte er sich wieder Bille zu. „Es ist viel einfacher, als du denkst. Natürlich hat das Stück eine Handlung, aber die ist nichts weiter als so eine Art roter Faden, um den Pferden und Ponys aller Rassen, die hier versammelt sind, die Möglichkeit zu geben, mit ihrem Können zu glänzen und sich so attraktiv wie möglich zu präsentieren. Nicht zu vergessen die Reiter. Dazu gehören dann natürlich Musik, Kostüme, Kulissen, Lichteffekte und eine fantasievolle Choreographie. Es ist einfach eine riesige Show für Pferdenarren jeden Alters.“
„Verstehe.“
Simon lenkte den Wagen zu den Stallzelten hinüber und hielt auf dem Parkplatz. Sie waren kaum ausgestiegen und reckten die von der Fahrt steif gewordenen Glieder, da kam mit eiligen Schritten eine große, schlanke Frau auf sie zu. Von weitem sah sie jünger aus, als sie war, erst in der Nähe bemerkte man die vielen kleinen Fältchen im braun gebrannten Gesicht. Doch die hellblauen Augen erinnerten an die eines fröhlichen, neugierigen Kindes. Die blonden Haare trug sie kurz geschnitten, sie sahen aus, als hätte sie das mit einer Papierschere selbst erledigt. Unterschiedlich lange Strähnchen standen kess in die Höhe.
„Da seid ihr ja!“, rief sie noch im Laufen. „Ich kann gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass ihr aushelfen wollt. Su per!“ Sie begrüßte Bille mit einer kurzen, heftigen Umarmung. „Grüß dich, ich bin Evelyn.“
„Evelyn ist die Chefbereiterin hier“, vervollständigte Beppo die Vorstellung. „Und unsere Helferin in allen Lebenslagen.“
Bille empfand sofort eine herzliche Zuneigung zu dieser temperamentvollen Frau. „Hallo! Ich bin Bille. Und das ist mein Freund Simon Henrich, er war so lieb, uns hierher zu begleiten.“
Evelyn lachte. „Na, den kennt man doch, auch wenn man sich nicht so sehr fürs Springreiten interessiert! Nett, dir bei dieser Gelegenheit persönlich zu begegnen. Oder muss ich ,Sie‘ sagen?“
„Um Himmels willen, nein!“, beteuerte Simon und ließ sich ebenfalls von ihr an die Brust drücken.
„Wir sind hier eine große, eingeschworene Familie“, erklärte Evelyn ihre Spontaneität. „Anders würden wir das alles gar nicht schaffen. Und wo ist jetzt unser neuer Star?“
Sie wartete nicht ab, dass Bille ihr vorausging. Mit energischen Schritten lief sie zum Hänger und öffnete die Klappe. Zottel wandte den Kopf und betrachtete die Frau neugierig. Schließlich gönnte er ihr ein freundliches Brummeln zur Begrüßung. Bille nahm die Stange aus ihrer Halterung und stieg in den Hänger. „Wir sind da, mein Schatz!“, sagte sie leise. „Jetzt zeig ihnen, was du draufhast.“ Damit band sie Zottel los und gab ihm einen zärtlichen Klaps auf die Brust. „Aussteigen!“
Zottel schritt so gerade rückwärts, als ginge er zwischen zwei straff gespannten Seilen. Als er festen Boden unter sich fühlte, wandte er sich zu der Fremden um und beschnupperte sie von oben bis unten. Zum Abschluss blies er ihr zufrieden ins Gesicht, dann stupste er auffordernd gegen ihre Gürteltasche, die intensiv nach Dingen wie Apfelschnitze, Rübenstücke und Pferdezucker duftete.
„Deine Leidenschaft für Süßes ist unschwer zu erkennen, mein Dicker.“ Evelyn klopfte ihm grinsend den rundlichen Bauch. „Bisschen Übergewicht, wie?“
Bille seufzte. „Das ist unser täglicher Kampf. Er ist der Liebling aller Kinder im Reitverein, und ich kann nicht ständig kontrollieren, was sie ihm zustecken.“
„Außerdem ist Zottel ein wahrer Meister im
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