Ein ganz besonderer Sommer
freu mich auch!“, beteuerte Bille. „Kommst du mit? Wir wollen einen kleinen Ausritt machen.“
„Geht nicht, weil ich habe Arbeit jetzt . Morgen, okay?“
„Okay, dann morgen.“
Agnieszka zeigte Bille, wo sie Trense und Sattel für Sofia fand, und bald darauf trabten sie einen Feldweg zum Ufer des Sees hinunter.
„Ach, tut das gut!“ Bille seufzte glücklich. „Das hat mir so gefehlt in den letzten Tagen! Wenn man es gewohnt ist, jeden Tag ein paar Stunden im Sattel zu sitzen . . .“
„Kann ich gut verstehen. Siehst du da vorne die kleine Bucht? Das ist ein guter Platz zum Baden. Deine Mutter kann sich ein Fahrrad bei uns ausleihen, wenn sie nicht zu Fuß hinlaufen möchte. Komm, jetzt reiten wir zum Waldrand hinüber, da drüben von dem Hügel hat man einen wunderbaren Blick über die Masurischen Seen, noch schöner als von unserem Haus aus. Und ich kann dir zeigen, wo die besten Reitwege sind, wenn du allein ausreitest. Ich werde nicht immer Zeit haben, dich zu begleiten.“
„Schade! Habt ihr viele reitende Gäste, die du betreuen musst?“
„Nicht viele im Moment. Aber ich muss auch im Haus helfen. Bei den Zimmern und in der Küche. Schau, da rechts!“, lenkte sie schnell vom Thema ab. „Siehst du den Kirchturm am anderen Ufer? Das ist Nikolayken . Da starten die Ausflugsschiffe der weißen Flotte.“
„Meine Mutter hat mir versprochen, dass wir einmal so eine Fahrt mitmachen.“
„Ja, das müsst ihr unbedingt tun, wenn das Wetter so gut ist wie heute und die Sicht so klar.“
Sie hatten den Waldrand erreicht, und Bille folgte mit Sofia Agnieszka und ihrer Rappstute einen schmalen Pfad zur Höhe hinauf. Das Mädchen zeigte nach links hinüber. „Das dort ist Lötzen , da kommen die Schiffe an. Man kann dort auch einkaufen, es ist eine kleine Stadt, aber sie ist nicht so hübsch wie Nikolayken . Das wird dir besser gefallen.“
Bille sah verträumt über die weite Fläche aus Wasser und bewaldeten Inseln. Rund um die Seen dehnten sich Felder und Weideflächen, dazwischen erkannte man große Gutshöfe. Hier und da gab es hübsche Ferienhäuser an den Ufern. Und über allem lag ein solcher Friede, dass Bille ganz feierlich zu Mute wurde.
„Schön ist es bei euch!“, seufzte sie glücklich. „Es muss wundervoll sein, hier zu leben.“
„ Naja . . . das ist es wohl auch.“ In Agnieszkas Gesicht spiegelten sich die widerstreitendsten Gefühle.
„Natürlich gibt’s überall Probleme“, räumte Bille ein. „Wenn man nur zu Besuch kommt, merkt man nichts davon. Aber ich fühl mich hier, als wenn mir plötzlich Flügel gewachsen wären. Vielleicht hat es etwas damit zu tun, dass meine Familie aus Ostpreußen stammt. Ich hab das wohl im Blut“, erklärte sie lächelnd. „Oder es ist das Licht. Alles scheint hell, durchsichtig, sogar die bewaldeten Flächen, man sieht durch die Bäume auf das Wasser, das den Himmel spiegelt. Ein Paradies.“
Agnieszka wurde auf einen Mann aufmerksam, der ihnen vom Ufer aus zuwinkte. „Das ist Onkel Taddeusz . Isst du gerne Fisch? Er scheint etwas gefangen zu haben.“
„Und ob! Ich liebe Fisch.“
„Dann holen wir ihn uns zum Abendessen. Meine Mutter wird froh darüber sein. Komm.“ Agnieszka wendete die Stute, und Bille folgte ihrem Beispiel. Seite an Seite ritten sie zum Ufer hinunter und hielten Minuten später neben dem alten Angler, der einen großen und zwei kleine Fische in seinem Korb hatte. Agnieszka unterhielt sich eine Weile lebhaft mit ihm, es schien um die Bezahlung zu gehen. Er sah das Mädchen, wie es Bille schien, mitleidig, fast ein wenig traurig an und winkte resignierend ab.
„Hast du kein Geld dabei? Ich hab was eingesteckt, ich kann den Fisch bezahlen.“
Agnieszka wurde rot. „Nein, nein, das ist nicht nötig, er gibt ihn mir auch so. Ich kann ihm das Geld morgen bringen.“
„Du kannst es mir ja später wiedergeben, das ist doch viel einfacher!“, beteuerte Bille.
„Okay.“ Agnieszka sprach mit dem alten Mann und er nannte einen Preis, während er den großen Fisch in Zeitungspapier wickelte und in eine alte Plastiktüte legte.
Bille gab Agnieszka einen Geldschein zum Bezahlen. Danach holte das Mädchen einen zusammengerollten Rucksack, den es hinter dem Sattel befestigt hatte, und packte den Fisch hinein.
„Am besten, wir reiten auf dem direkten Weg zurück, damit ich ihn gleich in der Küche abliefern kann“, schlug sie vor.
„Klar! Wäre doch schade um das gute Stück. Ich freu mich jetzt schon
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