Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein ganz besonderer Sommer

Ein ganz besonderer Sommer

Titel: Ein ganz besonderer Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Caspari
Vom Netzwerk:
erinnerte an früher. Und von den deutschen Einwohnern lebte nicht ein Einziger mehr hier, das hatten sie schon vor längerer Zeit erfahren.
    Mutsch blickte sich um und seufzte. Es hatte keinen Sinn, hier herumzulaufen und nach Spuren der Vergangenheit zu suchen. Sie wandte sich um und ging zum Auto zurück. Doch plötzlich blieb sie stehen.
    „Gibt es den Friedhof noch?“
    „Ich glaube schon“, sagte Marek und überlegte. „Er wird nicht mehr benutzt, aber er ist noch da. Dort drüben bei dem alten Kirchturm. Hinter dem Feuerwehrhaus, sehen Sie? Da müsste er sein.“
    Mutsch machte sich schweigend auf den Weg. Je näher sie dem Kirchturm kamen, desto mehr beschleunigte sie ihre Schritte.
    Der Turm war alles, was von der einstigen Dorfkirche übrig geblieben war. Dort, wo sich das Kirchenschiff befunden hatte, erhob sich ein Hügel aus Gesteinsbrocken, der von Wildblumen, Brennnesseln und Brombeergesträuch überwachsen war. Von der einstigen Mauer, die den kleinen Friedhof umgeben hatte, waren lediglich Bruchstücke zu sehen. Doch zu ihrem Erstaunen waren die wenigen Gräber, deren Steine noch existierten, liebevoll gepflegt. Die meisten trugen deutsche Namen. Billes Mutter sah Marek fragend an.
    „Darum kümmern sich die alten Frauen aus dem Dorf. Es gibt im heutigen Polen keine Feindschaft mehr gegen die Deutschen“, erklärte er lächelnd. „Die Menschen bei uns haben begriffen, dass wir seit vielen Jahrhunderten zusammengehören und friedlich miteinander gelebt haben, solange nicht irgendeine machtgierige Obrigkeit die Herrschaft an sich reißen wollte. Sie haben doch die vielen wiederaufgebauten Kirchen und Burgen gesehen. Die meisten waren einmal deutsches Kulturgut, ursprünglich von deutschen Rittern oder Ordensleuten gebaut. Aber spielt das eine Rolle? Sie sind ein kostbares Kulturerbe, das erhalten werden muss. Ein Zeugnis unserer gemeinsamen Geschichte.“
    „Sie haben Recht. Darüber sprach auch Hanna. Es ist schrecklich, wenn Menschen, die stets friedlich miteinander gelebt haben, plötzlich von irgendwelchen Verrückten gegeneinander aufgehetzt werden.“ Mutsch ging langsam von einem Grabstein zum anderen. „Da!“, rief sie plötzlich aufgeregt und zeigte auf eine verwitterte, kaum noch lesbare Schrift. „Siehst du das, Bille? Friedrich Abromeit! Und daneben seine Frau Hedwig. Deine Urgroßeltern! Und da, der Stein, der an der Mauer lehnt. Franz Abromeit! Das war der ältere Bruder deines Großvaters! Er starb als Kind nach dem Ersten Weltkrieg . . . Und dort ist auch einer von Pauls Familie!“ Versonnen, fast glücklich blickte sie auf die verwitterten Zeugnisse der fernen Vergangenheit. Dann wandte sie sich zu Bille um. „Siehst du, so war unsere Fahrt doch nicht vergebens.“
    Bille hatte ihre Kamera aus der Tasche genommen und machte ein paar Aufnahmen von dem kleinen Friedhof mit seinen Grabsteinen. Sie hatte bis jetzt darauf verzichtet, Fotos von dem Geburtsort ihrer Mutter zu machen, der mit dem Dorf von damals keinerlei Ähnlichkeit mehr aufwies. Es erschien ihr zu traurig. Doch jetzt sah sie diese Zeugnisse der vergangenen Zeit in anderem Licht. Warum nicht im Bild festhalten, wie sich hier alles verändert hatte? War es in Groß-Willmsdorf denn nicht genauso? Mit dem Reiterinternat und all den neuen Gebäuden, die dafür errichtet worden waren? Oder Wedenbruck - mit der Feriensiedlung? Wie schockiert sie alle gewesen waren, als der Bau begann! Inzwischen hatten sie sich längst an die Siedlung gewöhnt, die Pizzeria, das Café, der Reitclub, die Sportanlagen waren zum Mittelpunkt des Gemeinschaftslebens geworden!
    Mutsch hakte sich bei ihr ein. „Na komm, gehen wir. Ich bin richtig froh, dass wir das hier gefunden haben.“
    „Ja, ich auch“, bestätigte Bille. „Komisch, jetzt, nachdem ich die Grabsteine gesehen habe, ist das alte Dorf für mich wieder lebendig geworden. Ich sehe es vor mir, so wie es damals ausgesehen haben muss. Ich werde noch ein paar Aufnahmen von der Umgebung, von der Hauptstraße und vom Ortsschild machen. Die können wir dann zu Hause in das Album mit den alten Fotografien von damals kleben.“
    „Ja, tu das.“ Mutsch strahlte. „Na, Paul wird Augen machen, wenn wir ihm die zeigen!“

Reiterferien im Land der Seen

    Das Reiterhotel lag auf einer kleinen Anhöhe mit einem weiten Blick über das Land, den man als unvergleichlich schön bezeichnen konnte. Von dem Zimmer im ersten Stock aus, in dem Bille und ihre Mutter wohnten, sah man über die

Weitere Kostenlose Bücher