Ein ganzes halbes Jahr
veranstaltete, Dads wiederholte Versicherung, dass sie blendend aussah und dass sie genau das Richtige angezogen hatte. Ich hörte, wie er seine Taschen nach den Schlüsseln, der Brieftasche und dem losen Kleingeld abklopfte, gefolgt von einem kurzen Lachen. Anschließend wurde die Haustür zugeworfen, das Auto fuhr los, und dann hörte ich nur noch die gedämpften Geräusche des Fernsehers in Großvaters Zimmer. Ich setzte mich auf die Treppe. Und dann zog ich mein Handy aus der Tasche und wählte Wills Nummer.
Er brauchte immer eine Zeitlang, um einen Anruf anzunehmen. Ich stellte mir vor, wie er an die Freisprecheinrichtung fuhr und mit dem Daumen den Knopf drückte.
«Hallo?»
«Haben Sie das eingefädelt?»
Kurze Stille. «Sind Sie das, Clark?»
«Haben Sie meinem Dad einen Job besorgt?»
Er klang ein bisschen kurzatmig. Ich fragte mich abwesend, ob er richtig saß.
«Ich dachte, Sie würden sich darüber freuen.»
«Ich freue mich ja auch. Es ist nur … ich weiß auch nicht. Es kommt mir irgendwie komisch vor.»
«Das sollte es nicht. Ihr Dad hat eine Arbeit gebraucht. Und meiner brauchte einen fähigen Verwalter.»
«Wirklich?» Ich konnte die Zweifel nicht aus meiner Stimme verbannen.
«Was meinen Sie damit?»
«Das hat also nichts mit dem zu tun, was Sie mich kürzlich gefragt haben. Über ihn und die andere Frau.»
Darauf folgte eine lange Pause. Ich sah ihn vor mir, in seinem Wohnzimmer, wie er durch die französischen Fenster hinaussah.
Als er wieder sprach, klang er sehr überlegt. «Sie glauben also, ich erpresse meinen Vater, damit er Ihrem eine Stelle gibt?»
Wenn er es so sagte, hörte es sich wirklich an den Haaren herbeigezogen an.
«Sorry. Ich weiß auch nicht. Es ist einfach komisch. Dieses zeitliche Zusammentreffen. Es passt alles ein bisschen zu gut.»
«Dann freuen Sie sich einfach, Clark. Das sind gute Neuigkeiten. Ihr Dad wird diese Arbeit sehr gut machen. Und es bedeutet …» Er zögerte.
«Es bedeutet was?»
«… dass Sie eines Tages Ihre Flügel ausbreiten und wegfliegen können, ohne sich Sorgen machen zu müssen, wie Ihre Eltern alleine klarkommen sollen.»
Es war, als hätte er mir die Faust in den Magen gerammt. Ich fühlte die Luft aus meinen Lungen entweichen.
«Lou?»
«Ja?»
«Sie sind schrecklich still.»
«Ich bin …» Ich schluckte. «Tut mir leid. Ich war gerade abgelenkt. Großvater ruft mich. Aber … danke, dass Sie ein Wort für Dad eingelegt haben.» Ich musste das Telefonat beenden. Weil ich urplötzlich einen dicken Kloß im Hals hatte und nicht sicher war, dass ich noch etwas sagen konnte.
Ich ging zu Fuß zum Pub. Die Luft war von Blütenduft erfüllt, und die Leute auf der Straße lächelten mich im Vorbeigehen an. Ich konnte diese Freundlichkeit nicht erwidern. Ich wusste nur, dass ich nicht zu Hause hatte bleiben können, wo ich nur gegrübelt hätte. Ich entdeckte die Triathlon Terrors im Biergarten. Sie hatten in einer Ecke zwei Tische zusammengeschoben, von denen ihre sehnigen Arme und Beine in fleischfarbenen Winkeln abstanden. Ein paar von ihnen nickten mir höflich zu (keine der Frauen), und Patrick stand auf und rückte einen Stuhl für mich neben sich. Mir wurde bewusst, dass ich mir Treena herbeiwünschte.
Der Garten des Pubs war mit dieser typisch englischen Mischung aus lautstarken Studenten und hemdsärmeligen Verkäufern nach Feierabend gefüllt. Auch die Touristen mochten diesen Pub, und unter die englischen Stimmen mischten sich andere – italienische, französische, amerikanische. Von der Gartenmauer auf der Westseite aus konnte man die Burg sehen, und die Touristen posierten – wie sie es jeden Sommer machten – nacheinander vor der Mauer, um sich mit der Burg im Hintergrund fotografieren zu lassen.
«Ich habe gar nicht mit dir gerechnet. Möchtest du etwas trinken?»
«Später.» Ich wollte einfach nur dort sitzen und meinen Kopf an Patricks Schulter lehnen. Ich wollte mich fühlen, wie ich mich früher gefühlt hatte – normal, unbelastet. Ich wollte nicht über den Tod nachdenken.
«Ich habe heute meine Bestzeit gesteigert. Fünfzehn Meilen in 79 Minuten und 20 Sekunden.»
«Toll.»
«Jetzt gibst du so richtig Gas, was, Pat?», sagte jemand.
Patrick ballte die Hände zu Fäusten und ahmte Formel-1-Motorengeräusche nach.
«Das ist super. Wirklich.» Ich versuchte, für ihn ein fröhliches Gesicht zu machen.
Ich trank ein Bier und dann noch eins. Ich hörte ihren Gesprächen über Laufzeiten,
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