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Ein ganzes halbes Jahr

Ein ganzes halbes Jahr

Titel: Ein ganzes halbes Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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nicht an. «Ich höre dann von Ihnen.»
    «Ja, ich melde mich vermutlich Ende der Woche», sagte Mr. Lawler.
    «Eine E-Mail wäre vermutlich besser als ein Brief – jedenfalls im Moment.»
    «Ja. Natürlich.»
    Ich brachte ihn zur Hintertür und ließ ihn hinaus. Dann, während Will ins Wohnzimmer verschwand, folgte ich Lawler in den Hof und sagte leichthin: «Und … haben Sie es weit?»
    Sein Anzug war perfekt geschnitten, er sah nach Londoner Bankenviertel aus, wo man für gute Kleidung richtig Geld hinlegte.
    «London, leider. Aber ich hoffe, dass der Verkehr um diese Tageszeit nicht zu schlimm ist.»
    Die Sonne stand hoch am Himmel, und ich musste im Gegenlicht blinzeln, als ich ihn ansah. «Und … mmh … wo in London arbeiten Sie?»
    «Regent Street.»
    « Die Regent Street? Nicht schlecht.»
    «Ja. Es gibt schlimmere Orte zum Arbeiten. Also. Danke für den Kaffee, Miss …»
    «Clark. Louisa Clark.»
    Da blieb er stehen und sah mich einen Moment lang an, und ich fragte mich, ob er meine unbeholfenen Versuche, herauszubekommen, wer er war, durchschaut hatte.
    «Ah. Miss Clark», sagte er und hatte sofort wieder sein professionelles Lächeln im Gesicht. «Also. Vielen Dank noch mal.»
    Er legte seine Aktentasche auf die Rückbank, stieg in sein Auto und war weg.
    An diesem Abend ging ich auf meinem Heimweg zu Patrick in der Bibliothek vorbei. Ich hätte zwar auch Patricks Computer benutzen können, aber es kam mir so vor, als hätte ich ihn erst fragen müssen, also war es in der Bibliothek einfacher. Ich setzte mich vor den Bildschirm und tippte ‹Michael Lawler› und ‹Regent Street, London› in die Suchmaschine. Wissen ist Macht, Will , erklärte ich ihm in Gedanken.
    Es gab 3290 Ergebnisse. Die ersten drei gehörten zu einem ‹Michael Lawler, Rechtsanwalt, spezialisiert auf Erbrecht und Testamentserklärungen, Testamentseröffnungen und Handlungsvollmachten›, in der Londoner Regent Street. Ich starrte eine Ewigkeit auf den Bildschirm, dann tippte ich den Namen erneut ein und machte eine Bildersuche, und da war er, bei irgendeinem Podiumsgespräch, in einem dunklen Anzug – Michael Lawler, Spezialist für Testamentserklärungen und Testamentseröffnungen, derselbe Mann, der eine Stunde mit Will verbracht hatte.
    An diesem Abend zog ich bei Patrick ein, in den anderthalb Stunden zwischen meinem Feierabend und seinem Aufbruch zum Training. Außer meinem Bett und den neuen Jalousien nahm ich alles mit. Patrick kam mit dem Auto, und wir steckten meine Sachen in Müllsäcke. Mit zwei Fahrten war alles in Patricks Wohnung geschafft – abgesehen von meinen alten Schulbüchern auf dem Dachboden.
    Mum weinte; sie glaubte, sie hätte mich aus dem Haus gedrängt.
    «Also wirklich, Liebling. Es wird Zeit, dass sie endlich auszieht. Sie ist siebenundzwanzig Jahre alt», sagte mein Vater zu ihr.
    «Aber sie ist trotzdem noch mein Baby», sagte sie und drückte mir zwei Dosen mit Früchtekuchen und eine Plastiktüte mit Putzmitteln in die Hand.
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Und ich mag Früchtekuchen nicht mal.
    Es war überraschend einfach, meine Habseligkeiten in Patricks Wohnung zu verstauen. Er selbst hatte ja kaum etwas, und ich hatte auch kaum etwas, weil ich die letzten Jahre in der Abstellkammer gewohnt hatte. Das Einzige, über das wir uns stritten, war meine CD-Sammlung, die anscheinend erst dann mit seiner zusammenstehen konnte, wenn ich auf die Rückseiten der CD-Hüllen ein Schildchen mit meinem Namen geklebt und sie alphabetisch sortiert hatte.
    «Fühl dich wie zu Hause», sagte er immer wieder, als wäre ich ein Gast. Wir waren nervös, gingen merkwürdig unbeholfen miteinander um, wie zwei Leute bei ihrer ersten Verabredung. Während ich auspackte, brachte er mir Tee und sagte: «Ich dachte, das könnte dein Becher werden.» Er zeigte mir, wo in der Küche alles stand, erklärte jedoch mehrere Male: «Aber du kannst alles hinstellen, wo du willst. Das macht mir nichts aus.»
    Er hatte im Gästezimmer zwei Schubladen und den Schrank leer geräumt. In den anderen beiden Schubladen waren seine Sportklamotten. Ich hatte gar nicht gewusst, wie viele Lycra- und Fleece-Varianten es gab. Meine bunte Kleidersammlung ließ noch viel Platz frei, die Drahtbügel quietschten einsam in dem leeren Abschnitt des Schrankes.
    «Ich muss noch was kaufen, damit der Platz ausgefüllt ist», sagte ich bei diesem Anblick.
    Er lachte nervös. «Was ist das?»
    Er schaute meinen Kalender an, den ich im

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