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Ein ganzes halbes Jahr

Ein ganzes halbes Jahr

Titel: Ein ganzes halbes Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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Bedürfnis, mich zu entschuldigen, wusste aber nicht recht, wofür eigentlich.
    Er nickte kurz und rang sich ein Lächeln ab. «Ich bin froh, dass Sie herausgefunden haben, was Sie wollen», sagte er und rollte in die Küche.
    Langsam wurde ich richtig sauer auf ihn. Ich hatte mich noch nie von jemandem so andauernd beurteilt gefühlt wie von Will. Es war, als hätte mich meine Entscheidung, mit meinem Freund zusammenzuziehen, uninteressanter für ihn gemacht. Als wäre ich nicht mehr sein Lieblingsprojekt. Das konnte ich ihm natürlich nicht sagen, aber ich behandelte ihn genauso kühl wie er mich.
    Und das war, ehrlich gesagt, ziemlich anstrengend.
    Nachmittags klopfte es an der Hintertür. Ich hastete den Flur hinunter, die Hände noch feucht vom Abwasch, und als ich die Tür öffnete, hatte ich einen Mann in dunklem Anzug und mit Aktentasche vor mir.
    «O nein. Wir sind Buddhisten», sagte ich entschlossen und machte die Tür zu, während der Mann anfing zu protestieren.
    Zwei Wochen zuvor hatten ein paar Zeugen Jehovas Will beinahe eine Viertelstunde an der Hintertür festgehalten, während er versucht hatte, mit dem Rollstuhl über den verrutschten Fußabstreifer wieder rückwärts ins Haus zu kommen. Als ich schließlich dazugekommen und die Tür zu war, hatte einer von ihnen durch den Briefschlitz gerufen, dass «er noch mehr als jeder andere» verstehen müsse, wie es sei, wenn man sich auf das Leben nach dem Tod freue.
    «Hallo … bin ich hier richtig bei Mr. Traynor?», sagte der Mann, und ich zog die Tür misstrauisch wieder auf. Während all meiner Zeit im Granta House hatte Will noch nie Besuch durch die Hintertür bekommen.
    «Lassen Sie ihn rein», sagte Will, der hinter mir aufgetaucht war. «Ich habe ihn hergebeten.» Als ich immer noch an der Tür stehen blieb, fügte er hinzu: «Es ist okay, Clark … er ist ein Freund.»
    Der Mann trat über die Türschwelle und gab mir die Hand. «Michael Lawler», sagte er.
    Er wollte noch etwas sagen, aber Will rollte mit seinem Stuhl zwischen uns und schnitt damit sehr wirksam jedes weitere Gespräch ab.
    «Wir sind im Wohnzimmer. Könnten Sie uns Kaffee kochen und uns dann für eine Weile allein lassen?»
    «Mmm … okay.»
    Mr. Lawler lächelte mich etwas unbehaglich an und folgte Will ins Wohnzimmer. Als ich ein paar Minuten später mit dem Kaffee auf einem Tablett hereinkam, unterhielten sie sich über Kricket. Und sie führten ihr Gespräch über Läufe und Punkte fort, bis ich keinen Vorwand mehr hatte, noch länger um sie herumzuschleichen.
    Ich richtete mich auf, strich unsichtbaren Staub von meinem Rock und sagte: «Also. Dann gehe ich jetzt.»
    «Danke. Louisa.»
    «Sind Sie sicher, dass Sie sonst nichts möchten? Ein paar Kekse?»
    «Nein danke, Louisa.»
    Will nannte mich nie Louisa. Und er hatte mich noch nie von etwas ausgeschlossen.
    Mr. Lawler blieb fast eine Stunde. Ich machte meine Arbeit, dann hing ich in der Küche herum und überlegte, ob ich mutig genug war, sie zu belauschen. War ich nicht. Ich saß am Küchentisch, aß zwei Schokoladenkekse, kaute an den Fingernägeln, hörte ihre gedämpften Stimmen und fragte mich zum fünfzehnten Mal, warum Will diesen Mann gebeten hatte, durch die Hintertür zu kommen.
    Er hatte nicht nach einem Arzt oder so ausgesehen. Schon eher nach einem Banker, aber irgendwie passte das auch nicht richtig. Aber ganz bestimmt war er weder Physiotherapeut noch Ergotherapeut oder Ernährungsberater – oder einer von den Heerscharen von Angestellten bei den öffentlichen Institutionen, die andauernd vorbeikamen, um Wills Bedarfssituation einzustufen, die sich ständig änderte. Die erkannte man schon eine Meile gegen den Wind. Sie wirkten immer überarbeitet, waren aber gut organisiert und von resoluter Heiterkeit. Sie trugen Wollpullover in gedeckten Farben und fuhren staubige Kombis. Mr. Lawler hatte einen marineblauen BMW. Der glänzende Wagen aus der 5er-Serie war bestimmt kein Auto, das einem als städtischer Angestellter zur Verfügung gestellt wurde.
    Schließlich verließen Mr. Lawler und Will das Wohnzimmer. Lawler schloss die Aktentasche und hatte das Jackett über dem Arm hängen. Er wirkte nicht mehr, als fühlte er sich unbehaglich.
    Innerhalb von zwei Sekunden war ich im Flur.
    «Ah. Würden Sie mir bitte zeigen, wo die Toilette ist?»
    Das tat ich wortlos und drückte mich dann unruhig herum, bis er wieder herauskam.
    «Also. Das war’s für heute.»
    «Danke, Michael.» Will sah mich

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