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Ein ganzes halbes Jahr

Ein ganzes halbes Jahr

Titel: Ein ganzes halbes Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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abgeschürfte Knie und Unterkühlungen beim Schwimmtraining zu. Dann wurde ich unaufmerksam, beobachtete andere Gäste und fragte mich, was sie für ein Leben führten. Sie alle erlebten Wendepunkte mit ihren Familien – Babys, die geliebt und verloren wurden, dunkle Geheimnisse, großes Glück und Tragödien. Wenn sie es schafften, das ins richtige Verhältnis zu setzen, wenn sie imstande waren, einen sonnigen Abend in einem Pub zu genießen, dann sollte auch ich dazu in der Lage sein.
    Und dann erzählte ich Patrick von Dads neuem Job. Er war genauso überrascht, wie ich es gewesen war. Ich musste es zweimal sagen, weil er nicht sicher war, ob er mich richtig verstanden hatte.
    «Das ist ja sehr … kuschelig. Dass ihr alle beide für ihn arbeitet.»
    Da wollte ich es ihm erzählen, ich wollte es wirklich. Ich wollte ihm erklären, wie viel alles mit meinem Kampf darum zu tun hatte, dass Will am Leben blieb. Ich wollte ihm erklären, wie sehr ich fürchtete, dass Will womöglich versuchte, damit meine Freiheit zu kaufen. Aber ich wusste, dass ich nichts sagen konnte. Und deshalb konnte ich ebenso gut gleich auch noch den Rest hinter mich bringen.
    «Umm … das ist nicht das Einzige. Er hat gesagt, ich kann dort übernachten, wenn ich will, im Gästezimmer. Um das Übernachtungsproblem zu Hause zu lösen.»
    Patrick sah mich an. «Du willst bei ihm wohnen?»
    «Vielleicht. Es ist ein nettes Angebot, Pat. Du weißt doch, wie es bei meinen Eltern läuft. Und du bist nie da. Ich komme gern zu dir, aber … na ja, wenn ich ehrlich sein soll, fühle ich mich dort nicht zu Hause.»
    Er starrte mich immer noch an. «Dann mach ein Zuhause daraus.»
    «Was?»
    «Zieh richtig ein. Mach ein Zuhause für dich daraus. Stell deine Sachen rein. Bring deine Klamotten mit. Es ist sowieso Zeit, dass wir zusammenziehen.»
    Erst im Nachhinein wurde mir klar, wie unglücklich er aussah, während er das sagte. Nicht wie ein Mann, der endlich darauf gekommen war, dass er ohne seine Freundin in der Wohnung nicht mehr leben und zwei Einzelexistenzen in eine glückliche Gemeinsamkeit verwandeln wollte. Stattdessen hatte er ausgesehen, als fühlte er sich ausgetrickst.
    «Bist du sicher, dass ich bei dir einziehen soll?»
    «Ja. Klar.» Er rieb sich das Ohr. «Ich meine, ich rede nicht vom Heiraten oder so. Aber es ist vernünftig, oder?»
    «Du bist ein echter Romantiker.»
    «Ich meine es ernst, Lou. Es wird langsam Zeit. Vermutlich hätten wir es schon vor Ewigkeiten machen sollen, aber ich hatte eben das eine oder andere unter Dach und Fach zu bringen. Zieh ein. Es wird bestimmt gut.» Er umarmte mich. «Es wird richtig gut.»
    Die Triathlon Terrors hatten sich diskret weiterunterhalten. Kurz stieg Jubel auf, als eine japanische Touristengruppe das Foto bekam, das sie gewollt hatte. Die Vögel zwitscherten, die Sonne neigte sich dem Horizont zu, die Welt drehte sich weiter. Daran wollte ich teilhaben und nicht in einem stillen Zimmer sitzen und mir Sorgen um einen Mann in einem Rollstuhl machen.
    «Ja», sagte ich. «Es wird gut.»

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 17
    D as Schlimmste an einer Pflegetätigkeit ist nicht, was Sie vielleicht denken. Es ist nicht das Heben und Waschen, die Medikamente und Feuchttücher und der leichte, aber irgendwie immer wahrnehmbare Geruch nach Desinfektionsmitteln. Es ist nicht einmal die Tatsache, dass die meisten Leute vermuten, man würde diese Arbeit nur machen, weil man für alles andere zu dumm ist. Das Schlimmste ist, dass man, wenn man den ganzen Tag in relativer Nähe mit jemandem verbringt, seinen Launen nicht ausweichen kann. Und den eigenen auch nicht.
    Nachdem ich Will von meinen Plänen erzählt hatte, verhielt er sich den ganzen Vormittag lang distanziert. Es war nichts, auf das ein Außenstehender den Finger hätte legen können, aber er machte weniger Witze und war bei der Unterhaltung nicht so locker. Und er diskutierte nicht mit mir über die Artikel in der Tageszeitung.
    «Das … wollen Sie also?» Sein Blick hatte geflackert, aber seine Miene verriet nichts.
    Ich zuckte mit den Schultern. Dann nickte ich etwas nachdrücklicher. Ich spürte, dass an meiner Reaktion etwas Kindisches war, so als wollte ich mich doch nicht ganz festlegen. «Es wird langsam wirklich Zeit», sagte ich. «Immerhin bin ich jetzt siebenundzwanzig.»
    Er musterte mich. An seinem Kinn spannte sich ein Muskel.
    Plötzlich fühlte ich mich unerträglich müde. Außerdem hatte ich das merkwürdige

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