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Ein ganzes halbes Jahr

Ein ganzes halbes Jahr

Titel: Ein ganzes halbes Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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Sterbende engagieren?»
    «Er stirbt nicht .» Dieser Typ vom Reisebüro war unfähig. Ich legte in demselben Moment auf, in dem Will hereinkam.
    «Alles klar?»
    «Bestens.» Ich lächelte fröhlich.
    «Sehr gut. Hast du ein schönes Kleid?»
    «Wie bitte?»
    «Und was hast du am Samstag vor?»
    Er wartete gespannt. Mein Gehirn war immer noch auf Killerwal gegen Reisebüromitarbeiter eingestellt.
    «Mmm … nichts. Patrick trainiert den ganzen Tag. Warum?»
    Er zögerte es ein paar Sekunden hinaus, bevor er es sagte, als würde es ihn freuen, mich zu überraschen.
    «Wir gehen zu einer Hochzeit.»

    Ich habe nie herausgefunden, wann Will seine Meinung zu Alicias und Ruperts Hochzeitsfeier geändert hatte. Ich vermute, dass er seine Entscheidung mit vielen widerstreitenden Gefühlen traf – niemand erwartete, dass er hinging, zuallerletzt vermutlich Alicia und Rupert selbst. Vielleicht wollte er damit einen endgültigen Schlussstrich unter seine Beziehung zu Alicia ziehen. Aber ich glaube, schon in den Monaten zuvor hatte sie ihn nicht mehr verletzen können.
    Wir beschlossen, ohne Nathans Hilfe klarzukommen. Ich rief vorher an, um festzustellen, ob Will mit seinem Rollstuhl in das Festzelt auf dem Rasen fahren konnte. Alicia reagierte völlig kopflos, als ihr klar wurde, dass wir wirklich kommen müssen, und mir dämmerte, dass sie die Einladung nur geschickt hatten, um den Schein zu wahren.
    «Mmm … also … es gibt eine Stufe, wenn man in das Zelt kommt, aber ich glaube, die Leute, die es aufbauen, haben gesagt, sie könnten eine Rampe anlegen …», sie verstummte.
    «Das wäre sehr nett. Danke», sagte ich. «Wir sehen uns dann.»
    Wir suchten online ein Hochzeitsgeschenk aus. Will bezahlte 120 Pfund für einen silbernen Bilderrahmen und für eine Vase, die er ‹absolut grauenvoll› fand, noch einmal 60 Pfund. Es schockierte mich, dass er so viel Geld für etwas ausgab, das ihm nicht gefiel, aber ich hatte schon nach wenigen Wochen bei den Traynors gelernt, dass sie andere Vorstellungen von Geld hatten als ich. Sie schrieben vierstellige Zahlen auf Schecks, ohne weiter darüber nachzudenken. Ich hatte einmal Wills Kontoauszug gesehen, der auf dem Küchentisch gelegen hatte, damit er ihn sich ansehen konnte. Auf dem Konto war genügend Geld, um unser Haus zweimal zu kaufen – und das war nur sein Girokonto.
    Ich beschloss, mein rotes Kleid zu tragen – einerseits, weil es Will gefiel (und ich ging davon aus, dass er an diesem Tag jede Aufmunterung brauchen würde, die er nur kriegen konnte), aber auch, weil ich keine anderen Kleider hatte, in denen ich mich zu einem solchen Ereignis gewagt hätte. Will hatte keine Ahnung, wie sehr ich mich davor fürchtete, zu einer Hochzeit bei den oberen Zehntausend zu gehen und noch dazu als ‹Pflegehilfe›. Jedes Mal, wenn ich mir die kreischenden Stimmen und die abschätzenden Blicke vorstellte, wollte ich den Tag stattdessen viel lieber damit verbringen, Patrick beim Rundendrehen im Stadion zuzusehen. Vielleicht war es oberflächlich von mir, dass es mir etwas ausmachte, aber so war es eben. Der Gedanke daran, wie diese Gäste auf uns herabschauen würden, bereitete mir schon vorher Magenschmerzen.
    Ich sagte Will nichts, aber ich machte mir auch seinetwegen Sorgen. Zur Hochzeit einer Ex zu gehen, war schon unter den besten Umständen der reinste Masochismus, aber zu einer Riesenfeier zu erscheinen, einer, bei der lauter alte Freunde und Arbeitskollegen von ihm waren, um zuzuschauen, wie sie seinen ehemaligen besten Freund heiratete, schien mir der todsichere Weg in eine Depression. Das versuchte ich am Tag davor anzudeuten, aber Will tat es ab.
    «Wenn ich mir keine Sorgen mache, Clark, solltest du es auch nicht tun», sagte er.
    Ich rief Treena an und erzählte ihr von unseren Plänen.
    «Durchsuch seinen Rollstuhl nach Anthrax und Schusswaffen», sagte sie bloß.
    «Das ist das erste Mal, dass ich ihn weiter von zu Hause wegbekomme, und es wird in einer Katastrophe enden.»
    «Vielleicht will er sich ja reinreiben, dass es Schlimmeres gibt als den Tod.»
    «Sehr lustig.»
    Sie war bei unserem Telefonat nicht richtig bei der Sache. Sie bereitete sich auf einen einwöchigen Kurs für «Potenzielle Führungskräfte» vor und brauchte Mum und mich, damit wir uns um Thomas kümmerten. Es würde phantastisch werden, sagte sie. Ein paar Top-Vertreter aus der Industrie würden auch kommen. Ihr Betreuer von der Uni hatte sie für den Kurs vorgeschlagen, und sie war

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