Ein ganzes halbes Jahr
die einzige Teilnehmerin, die keine Gebühren zahlen musste. Ich wusste, dass sie etwas am Computer machte, während sie mit mir telefonierte. Ich konnte sie tippen hören.
«Schön für dich», sagte ich.
«Es ist in einem College in Oxford. Und zwar nicht in einer von diesen ehemaligen Fachhochschulen, sondern auf einem richtigen Unicampus im echten, alten Oxford.»
«Toll.»
Sie hielt einen Moment inne. «Er ist nicht lebensmüde, oder?»
«Will? Nicht mehr als sonst.»
«Tja, das ist doch schon mal was.» Ich hörte den Ping-Ton, der Treen eine ankommende E-Mail anzeigte.
«Ich mach besser Schluss, Treen.»
«Okay. Amüsier dich gut. Oh, und trag bloß nicht dieses rote Kleid. Das hat einen viel zu großen Ausschnitt.»
Der Hochzeitsmorgen brach strahlend und warm an. Das hatte ich gewusst. Frauen wie Alicia hatten eben einfach immer Glück. Vermutlich hatte irgendwer beim Wettergott ein gutes Wort für sie eingelegt.
«Das ist eine ziemlich bittere Bemerkung, Clark», meinte Will, als ich ihm das sagte.
«Tja, ich habe beim Meister gelernt.»
Nathan war früh gekommen, um Will zu helfen, sodass wir um neun Uhr aus dem Haus kamen. Es war eine zweistündige Fahrt, und ich hatte Erholungspausen eingeplant und genau nachgesehen, wo wir unterwegs die besten, rollstuhlgerechten Raststätten dafür finden würden. Ich machte mich im Badezimmer fertig, zog die Strumpfhosen über meine frisch rasierten Beine, legte Make-up auf und wischte es wieder ab, sonst würden all die vornehmen Gäste womöglich denken, ich sähe aus wie eine Nutte. Ich wagte es nicht, einen Schal umzulegen, aber ich hatte eine Stola mitgebracht, die ich als Schal benutzen konnte, wenn ich mich zu nackt fühlte.
«Nicht schlecht, was?» Nathan trat einen Schritt zurück, und da war Will in einem dunklen Anzug und einem kornblumenblauen Hemd mit Krawatte. Er war glatt rasiert und leicht gebräunt. Das Hemd ließ seine Augen noch strahlender wirken. Sie schienen auf einmal das Blitzen der Sonne in sich zu tragen.
«Nicht schlecht», sagte ich – aus irgendeinem Grund wollte ich nicht zugeben, wie gut er heute tatsächlich aussah. «Sie wird bereuen, dass sie diesen Fettklotz heiratet.»
Will verdrehte die Augen. «Nathan, ist alles in der Tasche?»
«Jau. Alles fertig zum Abflug.» Er wandte sich an Will: «Aber nicht mit den Brautjungfern rumknutschen.»
«Als ob ich darauf Lust hätte», sagte er. «Die tragen garantiert alle Stehkragen und riechen nach Pferd.»
Wills Eltern kamen heraus, um ihn zum Auto zu begleiten. Ich vermutete, dass sie gerade gestritten hatten, denn Mrs. Traynor hätte sich nur dann weiter von ihrem Mann wegstellen können, wenn sie die Stadtgrenze hinter sich gelassen hätte. Sie hielt ihre Arme fest verschränkt, sogar, als ich das Auto wendete, damit die Rampe auf Wills Seite war. Sie sah mich kein einziges Mal an.
«Sorgen Sie dafür, dass er sich nicht betrinkt, Louisa», sagte sie, während sie ein unsichtbares Stäubchen von Wills Schulter klopfte.
«Warum?», sagte Will. «Ich fahre nicht.»
«Recht so, Will», sagte sein Vater. «Ich habe immer ein oder zwei harte Drinks gebraucht, um eine Hochzeit zu überstehen.»
«Sogar deine eigene», murmelte Mrs. Traynor und fügte etwas lauter hinzu: «Du siehst sehr gut aus, Liebling.» Sie ging in die Hocke und zupfte Wills Hose zurecht. «Wirklich, sehr gut.»
«Und Sie ebenfalls.» Mr. Traynor betrachtete mich anerkennend. «Auffällig gut. Drehen Sie sich doch mal für uns im Kreis, Louisa.»
Will wandte sich mit seinem Stuhl um. «Sie hat keine Zeit, Dad. Fahren wir los, Clark. Ich vermute, es kommt nicht gut an, wenn man mit dem Rollstuhl hinter der Braut in die Kirche einfährt.»
Erleichtert stieg ich wieder ein. Als Wills Stuhl hinter mir gesichert war und sein elegantes Jackett ordentlich über der Rücklehne des Beifahrersitzes hing, damit es keine Falten bekam, fuhren wir los.
Ich hätte das Haus von Alicias Eltern genau beschreiben können, noch bevor ich dort war. Ehrlich gesagt traf meine Vorstellung sogar so genau zu, dass Will fragte, warum ich lachte, als es in Sicht kam. Es war ein großes, georgianisches Pfarrhaus, die hohen Fenster zum Teil beschattet von einer üppigen blühenden, weißen Glyzinie, die Zufahrt mit braunem Kies ausgestreut. Es war das perfekte Haus für einen Colonel. Ich sah direkt vor mir, wie Alicia hier aufgewachsen war, ihr Haar zu zwei ordentlichen blonden Zöpfen geflochten, während sie auf ihrem
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