Ein ganzes halbes Jahr
fühlt.
«Es ist nett, dass du das sagst.»
«Es war einfach so seltsam. Als wärst du von einer Klippe gestürzt. Den einen Tag warst du da, hattest alle Fäden in der Hand, und am nächsten mussten wir …»
Er sah auf, als er mich bemerkte. «Oh», sagte er, und ich registrierte, dass er mir auf die Brust starrte. «Hallo.»
«Louisa Clark, das hier ist Freddie Derwent.»
Ich stellte Wills Glas in die Halterung und gab dem jungen Mann die Hand.
Er richtete seinen Blick etwas höher aus. «Oh», sagte er erneut. «Und …»
«Ich bin eine Freundin von Will», sagte ich, und dann, ohne recht zu wissen, warum, legte ich Will leicht die Hand auf die Schulter.
«Dann ist das Leben doch nicht nur schlecht», sagte Freddie Derwent mit einem Lachen, das mehr nach einem Husten klang. Er errötete leicht beim Reden. «Wie dem auch sei … muss mich unter die Leute mischen. Du kennst das ja – anscheinend müssen wir jetzt sogar Hochzeiten zum Networken nutzen. Aber gut, dich zu sehen, Will. Wirklich. Und … und Sie, Miss Clark.»
«Der hat ganz nett gewirkt», sagte ich, als er gegangen war. Ich nahm meine Hand von Wills Schulter und trank einen großen Schluck Pimm’s. Es schmeckte besser, als es aussah. Das Stück Gurke darin hatte mich leicht misstrauisch werden lassen.
«Ja. Ja, er ist ein netter Junge.»
«Also fühlst du dich nicht zu unwohl.»
«Nein.» Will warf mir einen Blick zu. «Nein, Clark, ich fühle mich ganz und gar nicht unwohl.»
Als hätte ihnen Freddie Derwents Beispiel die Hemmungen genommen, kamen in der nächsten Stunde noch mehr Leute zu Will, um ihm hallo zu sagen. Einige hielten sich einen Schritt entfernt, als wollten sie dem Problem mit dem Händeschütteln ausweichen, während andere ihre Hosenbeine hochzogen und sich beinahe vor seine Füße kauerten. Ich stand neben Will und redete wenig. Als zwei weitere Leute herankamen, sah ich, dass er sich leicht versteifte. Der eine – ein großer, plumper Mann mit Zigarre – schien nicht mehr zu wissen, was er sagen sollte, als er bei Will angekommen war, und entschied sich für: «Verdammt nette Hochzeit, was? Die Braut sieht großartig aus.» Anscheinend kannte er Alicias früheres Liebesleben nicht.
Der andere, der anscheinend ein Konkurrent von Will gewesen war, schlug einen diplomatischeren Ton an, aber es lag etwas in seinem direkten Blick und seinen unumwundenen Fragen nach Wills Verfassung, bei dem sich Will anspannte. Sie waren wie zwei Hunde, die sich umkreisten und überlegten, ob sie die Zähne blecken sollten.
«Der neue Geschäftsführer meiner alten Firma», sagte Will, als sich der Mann endlich mit einem Winken verabschiedet hatte. «Ich glaube, er wollte nur sicher sein, dass ich keinen Übernahmeversuch plane.»
Die Sonne schien nun viel wärmer, die Blütendüfte im Garten wurden noch intensiver, und die Leute stellten sich in den Schatten der Bäume. Ich nahm Will mit unter das Vordach des Festzelts, weil ich mir Sorgen um seine Temperatur machte. In dem Zelt waren riesige Ventilatoren in Gang gesetzt worden, die sich träge über unseren Köpfen drehten. Etwas entfernt spielte unter dem Dach einer Gartenlaube ein Streichquartett. Es war wie eine Filmszene.
Alicia schwebte im Garten umher – eine ätherische Erscheinung, die Küsschen hier und Umarmungen da verteilte –, kam aber nicht zu uns.
Will leerte zwei Gläser Pimm’s und amüsierte sich im Stillen.
Das Mittagessen wurde um vier Uhr nachmittags serviert. Ich hielt das für eine reichlich merkwürdige Zeit, um zu Mittag zu essen, aber Will sagte, es sei eben eine Hochzeit. Die Zeit schien sich ohnehin zu dehnen und keine Rolle mehr zu spielen, sie verging bei immer neuen Getränken und endlosen Gesprächen. Ich weiß nicht, ob es an der Hitze lag oder an der Atmosphäre, aber als wir schließlich an unseren Tisch kamen, fühlte ich mich beinahe betrunken. Und als ich mich dabei ertappte, wie ich dem älteren Mann neben mir unzusammenhängendes Zeug erzählte, wurde mir klar, dass ich vermutlich wirklich ein bisschen betrunken war.
«Ist in diesem Pimm’s eigentlich Alkohol?», fragte ich Will, nachdem ich es fertiggebracht hatte, mir den Inhalt eines Salzstreuers auf den Schoß zu kippen.
«Ungefähr so viel wie in einem Glas Wein. In jedem.»
Ich starrte ihn entsetzt an. Alle beide. «Du machst wohl Witze. Da waren Früchte drin! Ich dachte, das bedeutet, es wäre alkoholfrei. Wie soll ich dich jetzt nach Hause fahren?»
«Du bist mir
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