Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein ganzes halbes Jahr

Ein ganzes halbes Jahr

Titel: Ein ganzes halbes Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
Vom Netzwerk:
kannte.
    «Nein, nein. Wenn er schläft, lassen Sie ihn schlafen.»
    Als ich Camilla davon erzählte, rechnete ich damit, dass sie sich freute. Sie war schließlich unheimlich sauer gewesen, als das Mädchen bei seinem Freund eingezogen war. Aber sie wirkte nur ein bisschen überrascht, und dann bekam sie diesen angespannten Gesichtsausdruck, der bedeutete, dass sie sich schon wieder alle möglichen negativen Folgen ausmalte. Sie sagte es nicht, aber ich war ziemlich sicher, dass sie von Louisa Clark nicht gerade angetan war. Allerdings fand in dieser Zeit überhaupt niemand vor Camillas Augen Gnade. Ihr normaler Betriebsmodus schien auf Missbilligung eingestellt zu sein.
    Wir fanden nie heraus, was Louisa dazu gebracht hatte, im Anbau zu wohnen – Will sagte nur ‹Familienangelegenheiten› –, aber sie war ein emsiges kleines Ding. Wenn sie nicht nach Will sah, flitzte sie herum, putzte, machte die Wäsche, raste zum Reisebüro und zur Bibliothek und wieder zurück. Ich hätte sie überall in der Stadt bemerkt, weil sie so auffällig war. Sie trug die leuchtendsten Farben, die ich außerhalb der Tropen je an einem Menschen gesehen habe, Kleidchen in Edelsteintönen und exotisch wirkende Schuhe.
    Früher hätte ich zu Camilla gesagt, dass Louisa den Ort zum Strahlen brachte. Aber solche Bemerkungen konnte ich nicht mehr machen.
    Will hatte Louisa anscheinend gesagt, sie könne seinen Computer benutzen, aber das wollte sie nicht und ging lieber in die Bibliothek. Ich weiß nicht, ob sie befürchtete, jemand könnte ihr Vorteilsnahme unterstellen oder ob sie ihn nicht sehen lassen wollte, was sie am Computer machte.
    So oder so, Will schien ein bisschen glücklicher zu sein, wenn sie da war. Ein paarmal hörte ich durchs offene Fenster, wie sie sich unterhielten, und ich hörte Will lachen. Ich redete mit Bernard Clark, um sicher zu sein, dass er mit diesem Arrangement einverstanden war, und er sagte, es wäre ein wenig schwierig, seit sie sich von ihrem langjährigen Freund getrennt hatte, und zu Hause wären alle möglichen Dinge in der Schwebe. Er erwähnte auch, dass sie sich für einen Platz an der Universität beworben hatte, weil sie ihre Ausbildung fortsetzen wollte. Ich beschloss, Camilla nichts davon zu sagen. Ich wollte nicht, dass sie darüber nachdachte, was das bedeuten könnte. Will sagte, Louisa würde sich für Mode und solche Sachen interessieren. Sie war eine echte Augenweide und hatte eine sehr gute Figur – aber, ehrlich gesagt, ich wusste nicht, ob es auch nur einen Menschen auf Erden gab, der die Art Kleidung kaufen würde, die sie trug.
    Am Montagabend fragte sie, ob Camilla und ich mit Nathan in den Anbau kommen würden. Sie hatte Broschüren, Zeitpläne, Versicherungsunterlagen und so weiter aus dem Internet ausgedruckt und auf dem Tisch ausgebreitet. Jeder von uns bekam einen Satz Unterlagen in durchsichtigen Plastikhüllen. Es war alles unglaublich gut organisiert.
    Sie wollte uns ihre Pläne für eine Urlaubsreise vorstellen. (Sie hatte Camilla vorgewarnt, dass sie es so klingen lassen würde, als hätte sie am meisten davon, aber ich sah trotzdem, wie Camillas Blick eisig wurde, während Louisa aufzählte, was sie alles gebucht hatte.)
    Es war eine ganz besondere Reise, die alle denkbaren außergewöhnlichen Aktivitäten enthielt, Dinge, bei denen ich mir Will nicht einmal vor seinem Unfall vorstellen konnte. Aber jedes Mal, wenn sie etwas ansprach – Wildwasser-Rafting, Bungee-Jumping oder sonst etwas –, hob sie vor Will Ausdrucke von Bildern hoch, die andere behinderte junge Männer bei diesen Aktionen zeigten, und sagte dazu: «Wenn ich all die Sachen ausprobieren soll, wie du immer sagst, dann musst du sie mit mir gemeinsam machen.»
    Ich muss zugeben, dass sie mich richtig beeindruckt hat. Sie war ein einfallsreiches kleines Ding.
    Will hörte ihr zu, und ich sah, dass er die Dokumente las, die sie vor ihn legte.
    «Woher hast du all diese Informationen?», fragte er schließlich.
    Sie zog die Augenbrauen hoch. «Wissen ist Macht, Will», sagte sie.
    Und mein Sohn lächelte, als hätte sie etwas besonders Schlaues von sich gegeben.
    «Also …», sagte Louisa, als keine Fragen mehr offen waren. «Wir fahren in acht Tagen. Sind Sie einverstanden, Mrs. Traynor?» In der Art, wie sie das sagte, lag ein gewisser Trotz, als wollte sie Camilla dazu herausfordern, nein zu sagen.
    «Wenn es das ist, was alle wollen, dann ist es für mich in Ordnung», sagte Camilla.
    «Nathan?

Weitere Kostenlose Bücher