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Ein ganzes halbes Jahr

Ein ganzes halbes Jahr

Titel: Ein ganzes halbes Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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er Musik und Filme mochte, würden wir doch bestimmt einen gemeinsamen Nenner finden, oder? Ich stellte mir vor, wie ich und dieser Mann über eine Hollywood-Komödie lachten oder wie ich das Schlafzimmer staubsaugte, während er Musik hörte. Vielleicht würde es ja ganz gut klappen. Vielleicht würden wir sogar Freunde werden. Ich hatte noch nie einen Behinderten gekannt – abgesehen von Treens Freund David, der taub war, einen aber in den Schwitzkasten nahm, wenn man andeutete, das wäre eine Behinderung.
    «Haben Sie Fragen?»
    «Nein.»
    «Dann stelle ich Sie jetzt vor.» Sie warf einen Blick auf ihre Uhr. «Nathan hat ihn inzwischen wahrscheinlich fertig angezogen.»
    Wir blieben vor einer Tür stehen, und Mrs. Traynor klopfte an. «Bist du dadrin? Ich möchte dir Miss Clark vorstellen, Will.»
    Keine Antwort.
    «Will? Nathan?»
    Eine Stimme mit breitem neuseeländischem Akzent sagte: «Er ist salonfähig, Mrs. T.»
    Sie öffnete die Tür. Das Wohnzimmer des sogenannten Anbaus war enorm groß, und eine Wand bestand komplett aus Glastüren, durch die man einen freien Blick auf die Landschaft hatte. In einem Kaminofen glühten Holzscheite, und gegenüber einem riesigen Flachbildschirm stand ein niedriges sandfarbenes Sofa, auf dem eine Wolldecke lag. Die Atmosphäre des geschmackvollen Raumes war friedlich – eine skandinavische Junggesellenbude.
    Mitten im Raum stand ein schwarzer Rollstuhl, dessen Sitz und Rückenlehne mit einem Schaffell ausgelegt waren. Ein kräftig gebauter Mann in einem weißen, kragenlosen Kittel hockte davor und richtete die Füße des Mannes im Rollstuhl auf den Fußstützen aus. Als wir in den Raum kamen, sah der Mann in dem Rollstuhl unter strähnigem, ungekämmtem Haar auf. Sein Blick traf meinen, und nach kurzem Innehalten stieß er ein markerschütterndes Stöhnen aus. Dann verzog er den Mund, und es folgte ein weiterer schauerlicher Schrei.
    Neben mir erstarrte seine Mutter.
    «Will, hör auf damit!»
    Er sah sie nicht einmal an. Wieder drang ein prähistorisches Geräusch aus den Tiefen seiner Brust. Es war ein schrecklicher, durchdringender Laut. Ich musste mich beherrschen, um nicht zurückzuweichen. Der Mann schnitt eine Grimasse, sein Kopf kippte zur Seite und sank zwischen seine Schultern, während er mich mit verzerrter Miene anstarrte. Er sah grotesk aus und irgendwie wütend. Mir wurde bewusst, dass die Knöchel meiner Hand, mit der ich meine Tasche hielt, weiß hervortraten.
    «Will! Bitte.» Leichte Hysterie lag in der Stimme seiner Mutter. «Bitte, tu das nicht.»
    O Gott , dachte ich. Das schaffe ich nicht. Ich schluckte mühsam. Der Mann starrte mich immer noch an. Er schien auf meine Reaktion zu warten.
    «Ich … ich bin Lou.» Meine Stimme, die ganz untypisch bebte, brach das Schweigen. Ich fragte mich kurz, ob ich ihm die Hand entgegenstrecken sollte, dann fiel mir wieder ein, dass er sie nicht nehmen konnte, also deutete ich nur schwach einen Gruß an. «Das ist eine Abkürzung für Louisa.»
    Darauf klärte sich zu meinem Erstaunen seine Miene, und er hob den Kopf.
    Will Traynor musterte mich eindringlich, und ein winziges Lächeln zog über sein Gesicht. «Guten Morgen, Miss Clark», sagte er. «Wie ich höre, sind Sie meine aktuelle Aufpasserin.»
    Nathan hatte die Fußstützen fertig justiert. Kopfschüttelnd richtete er sich auf. «Sie sind ein böser Mann, Mr. T. Sehr böse.» Er grinste und streckte mir seine breite Hand entgegen, die ich kraftlos schüttelte. Nathan verströmte vollkommene Unerschütterlichkeit. «Ich fürchte, Sie sind gerade in den Genuss von Wills bester Christy-Brown-Imitation gekommen. Sie werden sich schon an ihn gewöhnen. Hunde, die bellen, beißen nicht.»
    Mrs. Traynor hielt das Kreuz an ihrer Halskette zwischen den schlanken weißen Fingern. Sie schob es an der feinen Goldkette hin und her, vermutlich ein nervöser Tic. Mit entschlossener Miene sagte sie: «Ich lasse Sie jetzt allein. Sie können mich über die Gegensprechanlage erreichen, wenn Sie Hilfe brauchen. Nathan wird Ihnen Wills Tagesablauf und die technische Ausrüstung erklären.»
    «Ich bin auch hier, Mutter. Du musst nicht über meinen Kopf hinweg reden. Mein Gehirn ist nicht paralysiert. Jedenfalls noch nicht.»
    «Ja, nun, wenn du dich schlecht benimmst, Will, denke ich, dass es das Beste ist, wenn Miss Clark direkt mit Nathan spricht.» Ich bemerkte, dass seine Mutter es vermied, ihn anzusehen. Sie hatte ihren Blick ungefähr drei Meter entfernt von ihm

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