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Ein ganzes halbes Jahr

Ein ganzes halbes Jahr

Titel: Ein ganzes halbes Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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Freund beim Lauftraining zu.»
    «Ja.»
    «Aber Sie laufen nicht selbst.»
    «Nein. Dafür bin ich nicht richtig …», ich sah kurz auf meine Brust hinunter, «gebaut.»
    Er musste lächeln.
    «Und was sonst noch?»
    «Wie meinen Sie das, was sonst noch?»
    «Hobbys? Reisen? Orte, die Sie irgendwann einmal sehen möchten?»
    Er fing an, sich wie mein Berufsberater anzuhören. Ich dachte nach. «Ich habe eigentlich keine Hobbys. Ich lese ein bisschen. Ich mag Kleider.»
    «Praktisch», bemerkte er trocken.
    «Sie haben gefragt. Ich habe eben keine Hobbys.» Komischerweise klang ich, als müsste ich mich verteidigen. «Ich unternehme nicht viel, okay? Ich arbeite hier, und dann gehe ich nach Hause.»
    «Wo wohnen Sie?»
    «Auf der anderen Seite der Burg. In der Renfrew Road.»
    Er sah mich fragend an. Das war zu erwarten. Es gab ziemlich wenig Austausch zwischen den beiden Stadtteilen, über denen sich die Burg erhob. «Die liegt hinter der doppelspurigen Schnellstraße. In der Nähe vom McDonald’s.»
    Er nickte, ich war aber nicht sicher, ob er wirklich wusste, wovon ich redete.
    «Und Ferien?»
    «Ich war mal in Spanien, mit Patrick, meinem Freund.» Dann fügte ich hinzu: «In meiner Kindheit sind wir nur nach Dorset gefahren. Oder nach Tenby. Da wohnt meine Tante.»
    «Und was wollen Sie?»
    «Was ich will?»
    «Vom Leben.»
    Ich blinzelte. «Das ist jetzt ein bisschen sehr persönlich, oder?»
    «Nur im Allgemeinen. Ich frage Sie ja nicht nach einem Psychogramm. Aber was wollen Sie? Heiraten? Ein paar Rotznasen in die Welt setzen? Karriere machen? Um die Welt reisen?»
    Darauf folgte eine lange Pause.
    Mir war klar, dass ihn meine Antwort enttäuschen würde. «Ich weiß nicht. Darüber habe ich eigentlich noch nie nachgedacht.»

    Am Freitag mussten wir ins Krankenhaus. Ich war froh, dass ich von Wills Termin erst erfuhr, als ich morgens ankam, sonst hätte ich nämlich die ganze Nacht wachgelegen und mir Sorgen gemacht, weil ich das Auto fahren musste. Ich kann Auto fahren, das schon. Aber ich würde sagen, ich fahre genauso gut Auto, wie ich Französisch spreche. Ich habe zwar die Fahrprüfung abgelegt und bestanden, aber ich saß höchstens einmal im Jahr selbst hinterm Steuer. Der Gedanke, Will und seinen Rollstuhl in diesen umgebauten Kleinbus zu verfrachten und sicher in die nächste Stadt und zurück zu bringen, war für mich der reinste Albtraum.
    Wochenlang hatte ich mir gewünscht, dass zu meiner Arbeit Ausflüge gehörten. Aber jetzt hätte ich alles getan, um im Haus zu bleiben. Ich fand den Merkzettel mit Wills Termin in einem der Ordner mit seinen Krankenunterlagen – es waren dicke Ordner, die mit ‹Transport›, ‹Versicherung›, ‹Leben mit Behinderung› und ‹Arzttermine› beschriftet waren. Ich nahm den Zettel und überprüfte das Datum. Ein winziger Teil von mir hatte gehofft, dass Will sich irrte.
    «Kommt Ihre Mutter mit?»
    «Nein. Sie begleitet mich nicht zu den Arztterminen.»
    Ich konnte meine Überraschung nicht verbergen. Ich war davon ausgegangen, dass sie jedes Detail seiner Behandlung überprüfte.
    «Früher ist sie mitgefahren», sagte Will. «Aber inzwischen haben wir eine Abmachung.»
    «Und kommt Nathan mit?»
    Ich kniete vor ihm. Ich war so nervös, dass ich ihm einen Teil seines Mittagessens in den Schoß gekippt hatte, und jetzt bemühte ich mich vergeblich, den Fleck mit einem feuchten Lappen herauszubekommen, sodass inzwischen ein beträchtlicher Teil seiner Hose tropfnass war. Will hatte nichts gesagt, mich nur gebeten, mit meinen Entschuldigungen aufzuhören, aber der Vorfall war nicht gerade das beste Mittel gewesen, meine Nervosität abzubauen.
    «Warum?»
    «Nur so.» Ich wollte ihn nicht merken lassen, wie ängstlich ich war. Ich hatte einen guten Teil dieses Vormittags – Zeit, in der ich normalerweise putzte – damit verbracht, wieder und wieder die Gebrauchsanweisung des Rollstuhllifts durchzulesen, und trotzdem fürchtete ich mich immer noch vor dem Moment, in dem ich ganz allein dafür verantwortlich war, Will in seinem Stuhl einen halben Meter über der Erde schweben zu lassen.
    «Kommen Sie, Clark, was ist los?»
    «Na gut. Ich … ich dachte einfach, es wäre leichter, wenn das erste Mal jemand dabei wäre, der weiß, wie der Lift funktioniert.»
    «Im Gegensatz zu mir», sagte er.
    «Das habe ich nicht gemeint.»
    «Weil man von mir schließlich nicht erwarten kann, dass ich über meine eigene Betreuung Bescheid weiß?»
    «Bedienen Sie den

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