Ein ganzes halbes Jahr
für uns ein kleiner Sieg.
«Damit wir uns recht verstehen. Sie glauben also, ein Teelöffel Karottenbrei würde meine Lebensqualität verbessern.»
Es klang tatsächlich ziemlich dumm, wenn er es so sagte. «Ich tu’s nicht wieder.»
Und dann, urplötzlich, lachte Will Traynor. Es war ein richtiger Lachanfall.
«Verflucht», sagte er und schüttelte den Kopf.
Ich starrte ihn an.
«Und was zum Teufel haben Sie mir sonst noch alles ins Essen gemischt? Wollen Sie mir vielleicht auch noch sagen, dass ich den Tunnel öffnen soll, damit Herr Zug ein bisschen Rosenkohlpüree zur nächsten Bahnstation fahren kann?»
Ich dachte kurz nach. «Nein», sagte ich ernst. «Ich pflege nur Umgang mit Herrn Gabel, und Herr Gabel sieht nicht aus wie ein Zug.»
Das hatte mir Thomas ein paar Monate zuvor äußerst nachdrücklich erklärt.
«Hat Sie meine Mutter dazu angestiftet?»
«Nein. Hören Sie, Will, es tut mir leid. Ich habe einfach … nicht nachgedacht.»
«Als ob das eine Ausnahme wäre.»
«Schon gut, okay? Ich fische die Stückchen raus, wenn Sie die Karotten wirklich so stören.»
«Es sind nicht die Karottenstückchen, die mich stören. Es ist die Tatsache, dass sie mir von einer Verrückten ins Essen geschmuggelt werden, die das Besteck mit Herr und Frau Gabel anspricht.»
«Das war ein Witz. Wissen Sie, ich suche einfach die Karotten heraus und …»
Er drehte sich weg. «Ich möchte nichts mehr. Bringen Sie mir einfach eine Tasse Tee.» Als ich hinausging, rief er mir nach: «Aber versuchen Sie bloß nicht, heimlich eine pürierte Zucchini in den Tee zu rühren.»
Während ich abspülte, kam Nathan herein. «Er hat gute Laune», sagte er, als ich ihm einen Becher Tee gab.
«Wirklich?» Ich aß mein Sandwich in der Küche. Es war eiskalt draußen, und inzwischen kam mir die Stimmung im Haus nicht mehr ganz so unfreundlich vor.
«Er sagt, Sie hätten versucht, ihn zu vergiften. Aber er hat es auf eine … nette Art gesagt.»
Irgendwie freute ich mich über diese Nachricht.
«Ja … na ja …», sagte ich und versuchte, meine Freude zu verbergen. «Geben Sie mir noch Zeit.»
«Er redet auch mehr. Es gab schon ganze Wochen, in denen er kaum ein Wort gesagt hat, aber in den letzten Tagen plaudert er sogar ganz gerne ein bisschen.»
Ich musste daran denken, wie Will zu mir gesagt hatte, wenn ich nicht endlich aufhören würde, vor mich hin zu pfeifen, sähe er sich gezwungen, mich zu überfahren. «Ich glaube, seine Definition von einer Plauderei und meine unterscheiden sich ein bisschen.»
«Wir haben uns jedenfalls über Kricket unterhalten. Was ich Ihnen noch sagen wollte», Nathan senkte die Stimme, «Mrs. T. hat mich vor einer Woche oder so gefragt, wie Sie so klarkommen, und ich habe ihr gesagt, dass ich Sie für sehr fähig halte, aber ich wusste, dass sie etwas anderes meinte. Und gestern ist sie reingekommen und hat erzählt, sie hätte Will und Sie lachen hören.»
Ich dachte an den Abend zuvor. «Er hat über mich gelacht», sagte ich. Will hatte es höchst amüsant gefunden, dass ich nicht wusste, was Pesto ist. Ich hatte ihm nämlich erklärt, es gäbe zum Abendessen Nudeln ‹mit der grünen Soße›.
«Ach, das ist ihr egal. Es ist einfach ziemlich lange her, dass er überhaupt einmal gelacht hat.»
Es stimmte. Will und ich schienen einen Weg gefunden zu haben, miteinander umzugehen. Meist lief es darauf hinaus, dass er gemein zu mir war und ich es ihm manchmal heimzahlte. Wenn er mir sagte, ich hätte etwas schlecht gemacht, dann erklärte ich ihm, wenn es ihm wirklich wichtig wäre, könnte er mich ja nett darum bitten, es besser zu machen. Er verfluchte mich, nannte mich eine Nervensäge, und ich sagte ihm, er könne gern ausprobieren, wie weit er ohne diese spezielle Nervensäge kommen würde. Das war alles ein bisschen gekünstelt, aber es schien für uns beide zu funktionieren. Manchmal kam es mir sogar so vor, als wäre es eine Erleichterung für ihn, dass jemand ihn nicht mit Samthandschuhen anfasste, ihm widersprach oder ihm erklärte, er verhalte sich unmöglich. Anscheinend waren seit seinem Unfall alle nur auf Zehenspitzen um ihn herumgeschlichen, von Nathan vielleicht abgesehen, mit dem Will respektvoll umging und der Wills spitze Bemerkungen vermutlich sowieso an sich abperlen ließ. Nathan kam mir vor wie ein menschliches Panzerfahrzeug.
«Dann sorgen Sie einfach dafür, dass er sich weiter über Sie lustig machen kann, okay?»
Ich stellte meinen Becher in die
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