Ein ganzes halbes Jahr
Rollstuhllift?», fragte ich geradeheraus. «Und können Sie mir ganz genau erklären, was ich tun muss?»
Er sah mich ruhig an. Falls er auf einen Streit aus gewesen war, änderte er seine Meinung. «Okay, Sie haben recht. Ja, Nathan kommt. Es ist gut, ihn zusätzlich dabeizuhaben. Außerdem dachte ich, Sie würden sich nicht in so einen Zustand hineinsteigern, wenn er dabei ist.»
«Ich bin in überhaupt keinem Zustand», widersprach ich.
«Das sehe ich.» Er schaute auf seinen Schoß hinunter, an dem ich immer noch mit einem Lappen herumrieb. Die Nudelsoße hatte ich wegbekommen, aber die Hose war ziemlich nass. «Sie wollen also, dass ich dort als Inkontinenzfall auftrete.»
«Ich bin noch nicht fertig.» Ich schloss den Föhn an und richtete ihn auf seinen Schritt.
Als die warme Luft auf seine Hosen traf, hob er die Augenbrauen.
«Ja, ja», sagte ich. «Ich hatte mir meinen Freitagnachmittag auch anders vorgestellt.»
«Sie sind wirklich ziemlich nervös, oder?»
Ich spürte, dass er mich musterte.
«Kommen Sie, Clark, entspannen Sie sich. Schließlich bin ich derjenige, dem glühend heiße Luft auf die Genitalien geblasen wird.»
Ich reagierte nicht. Obwohl ich ihn trotz des lauten Föhns genau verstanden hatte.
«Wirklich, überlegen Sie doch mal: Was kann denn schlimmstenfalls passieren … dass ich im Rollstuhl lande?»
Es klingt vielleicht dumm, aber ich musste einfach lachen. So einen eindeutigen Versuch, mich aufzuheitern, hatte Will noch nie unternommen.
Das Auto sah von außen aus wie ein ganz normaler Minivan, aber wenn man die hintere Tür auf der Beifahrerseite öffnete, fuhr eine Rampe heraus und senkte sich auf den Boden. Unter Nathans Aufsicht fuhr ich Wills Rollstuhl für draußen (er hatte einen eigenen für die Fahrten außer Haus) auf die Rampe, überprüfte die elektrische Hebelbremse und programmierte den Lift so, dass Will langsam in das Auto gehoben wurde. Nathan glitt auf den Sitz hinter dem Fahrer, schnallte Will an und stellte die Räder des Rollstuhls fest. Während ich das Zittern meiner Hände zu unterdrücken versuchte, löste ich die Handbremse und fuhr langsam die Auffahrt hinunter und Richtung Krankenhaus.
Außerhalb des Hauses schien sich Will ein bisschen in sich zurückzuziehen. Das Wetter war eisig, und Nathan und ich hatten ihn in einen dicken Mantel und einen Schal gepackt, aber er wurde immer schweigsamer, hielt das Kinn gesenkt und wirkte irgendwie kleiner. Immer, wenn ich in den Rückspiegel sah (was oft vorkam, weil ich trotz Nathans Begleitung Angst hatte, dass sich der Rollstuhl aus seiner Verankerung lösen könnte), schaute er mit undurchdringlicher Miene aus dem Fenster. Sogar wenn ich anhielt oder zu heftig bremste, was einige Male vorkam, zuckte er nur ein wenig zusammen und wartete, bis ich weiterfuhr.
Als wir beim Krankenhaus ankamen, stand ein leichter Schweißfilm auf meinem Gesicht. Ich fuhr dreimal über den gesamten Krankenhausparkplatz, weil ich so lange nach einer möglichst großen Parklücke suchte, in die ich rückwärts hineinfahren konnte, bis ich spürte, dass die zwei Männer ungeduldig wurden. Dann, endlich, ließ ich die Rampe herunter, und Nathan schob Wills Rollstuhl auf den Asphalt.
«Gut gemacht», sagte Nathan und klopfte mir auf den Rücken, aber das nahm ich ihm nicht ab.
Es gibt Dinge, die man erst wahrnimmt, wenn man einmal jemanden in einem Rollstuhl begleitet. Zum Beispiel, wie schlecht die meisten Bürgersteige gepflastert sind, voller notdürftig geflickter Löcher oder total uneben. Während ich langsam neben Will herging, stellte ich fest, dass ihm jedes Holpern Schmerzen durch den Körper jagte und wie oft er um irgendwelche Hindernisse herumsteuern musste. Nathan tat so, als würde er es nicht mitbekommen, aber ich sah, dass er in Wahrheit genau aufpasste. Und Will strahlte einfach nur grimmige Entschlossenheit aus.
Außerdem ist es erstaunlich, wie rücksichtslos die meisten Autofahrer sind. Sie parken an den abgesenkten Stellen des Bürgersteigs oder so eng aneinander, dass man mit einem Rollstuhl kaum die Straße überqueren kann. Mich regte das auf, und ich war ein paarmal nahe dran, eine grobe Bemerkung auf einen Zettel zu schreiben und ihn unter einen Scheibenwischer zu klemmen, aber Nathan und Will schienen das alles gewohnt zu sein. Nathan deutete auf eine Stelle, an der wir über die Straße gehen konnten, weil zwischen den Autos auf der anderen Seite genug Platz für den Rollstuhl war, und dann
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