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Ein ganzes halbes Jahr

Ein ganzes halbes Jahr

Titel: Ein ganzes halbes Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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ist er? Nur drei Worte, falls Ihnen das unangenehm ist.»
    Ich dachte darüber nach. «Optimistisch. Treu. Besessen von Körperfettwerten.»
    «Das sind fünf Worte.»
    «Dann haben Sie zwei umsonst bekommen. Wie ist sie?»
    «Wer?»
    «Alicia.» Ich sah ihn an, wie er mich angesehen hatte, ganz direkt. Er holte tief Luft und sah in eine hohe Platane hinauf. Sein Haar fiel ihm in die Augen, und ich unterdrückte den Impuls, es ihm aus dem Gesicht zu streichen.
    «Hinreißend. Sexy. Wartungsintensiv. Überraschend unsicher.»
    «Was hat sie denn für einen Grund, unsicher zu sein?» Die Worte waren heraus, bevor ich darüber nachdenken konnte.
    Er sah mich beinahe amüsiert an. «Sie würden sich wundern», sagte er. «Frauen wie Lissa machen sich so lange ihr Aussehen zunutze, bis sie schließlich glauben, sie hätten nichts anderes zu bieten. Na ja, ich bin unfair. Sie hat ihre Fähigkeiten. Sie kann gut mit Dingen umgehen – Kleidung, Inneneinrichtung. Sie kann alles schön aussehen lassen.»
    Ich verbiss mir die Bemerkung, dass es einfach war, alles schön aussehen zu lassen, wenn man eine Brieftasche besaß, die so ergiebig war wie eine niemals versiegende Diamantenmine.
    «Sie stellt ein paar Sachen in einem Zimmer um, und es sieht vollkommen anders aus. Ich habe nie verstanden, wie sie das macht.» Er nickte zum Haus hin. «Sie hat den Anbau eingerichtet, als ich eingezogen bin.»
    Ich ließ im Geist meinen Blick durch das perfekt gestylte Wohnzimmer wandern. Meine Bewunderung für den schönen Raum galt auf einmal nicht mehr ganz so uneingeschränkt wie zuvor.
    «Wie lange waren Sie mit ihr zusammen?»
    «Acht oder neun Monate.»
    «Also nicht so lange.»
    «Für mich schon.»
    «Wie haben Sie sich kennengelernt?»
    «Bei einer Dinnerparty. Es war eine schreckliche Party. Und Sie?»
    «Beim Friseur. Da habe ich gearbeitet. Er war mein Kunde.»
    «Hah. Sie waren also sein kleines Extra fürs Wochenende.»
    Ich musste ihn verständnislos angesehen haben, denn er schüttelte den Kopf und sagte leise: «Vergessen Sie’s.»
    Aus dem Anbau hörten wir das dumpfe Dröhnen des Staubsaugers. Der Putztrupp bestand aus vier Frauen, die alle Kittel der Reinigungsfirma trugen. Ich fragte mich, wie sie sich vier Stunden in dem kleinen Anbau beschäftigen wollten.
    «Fehlt sie Ihnen?»
    Ich hörte, wie die Frauen sich unterhielten. Irgendwer hatte ein Fenster geöffnet, und manchmal hörte man sie lachen.
    Will hatte den Blick in eine unbestimmte Ferne gerichtet. «Zuerst schon.» Dann sah er mich an und sagte sehr sachlich: «Aber ich habe darüber nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass Rupert und sie gut zusammenpassen.»
    Ich nickte. «Sie werden eine lächerliche Hochzeitsfeier organisieren, einen Schreihals oder zwei in die Welt setzen, ein Landhaus kaufen, und noch bevor fünf Jahre vorbei sind, bumst er seine Sekretärin.»
    «Da haben Sie vermutlich recht.»
    Ich erwärmte mich richtig für das Thema. «Und sie wird immer ein bisschen schnippisch zu ihm sein, ohne selbst genau zu wissen, warum, und dann meckert sie bei grausamen Dinnerpartys an ihm herum, sodass sich ihre Freunde vor Verlegenheit winden, und er verlässt sie trotz allem nicht, weil er einen Horror vor den Unterhaltszahlungen hat.»
    Will musterte mich eingehend.
    «Und sie schlafen alle sechs Wochen einmal miteinander, und er betet seine Kinder an und kümmert sich trotzdem einen Scheiß um ihre Erziehung. Und sie ist immer perfekt frisiert, hat aber diesen verkniffenen Gesichtsausdruck», ich presste die Lippen zusammen, «weil sie nie sagt, was sie wirklich denkt, und stattdessen wie irre Pilates macht oder einen Hund kauft oder ein Pferd, und dann verknallt sie sich in den Reitlehrer. Und mit vierzig fängt er an zu joggen, und er kauft sich vielleicht eine Harley-Davidson, die sie vulgär findet, und jeden Tag, wenn er ins Büro geht und seine jungen Kollegen sieht oder in der Bar hört, wie sie erzählen, wen sie am Wochenende abgeschleppt oder wo sie die Nacht durchgefeiert haben, fühlt er sich, als wäre er irgendwie reingelegt worden – aber wie das genau passiert ist, wird er nie verstehen.»
    Will starrte mich an.
    «Sorry», sagte ich nach einem Moment. «Ich weiß wirklich nicht, wo das alles auf einmal hergekommen ist.»
    «Gerade spüre ich ein winziges bisschen Mitleid für den Langstreckenläufer in mir aufsteigen.»
    «Oh, er hat damit nichts zu tun», sagte ich. «Es liegt an der jahrelangen Arbeit in einem Café. Man

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