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Ein ganzes halbes Jahr

Ein ganzes halbes Jahr

Titel: Ein ganzes halbes Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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wem?»
    «Oh, mit so einem Typ, der reinkam und einen handgebundenen Strauß in lebhaften Farben verlangt hat», sagte sie. «Ich wollte bloß sicher sein, dass ich es überhaupt noch kann.»
    Und dann, als mir gerade die Kinnlade runterfiel, fügte sie hinzu: «Jetzt guck doch nicht so. Es war schließlich nicht während der Arbeitszeit. Und der Strauß war für eine Beerdigung. Wenn es Ehefrauenblumen gewesen wären, hätte ich ihn natürlich nicht mal mit einer Gladiole angerührt.»
    Ich war durchaus nicht sexbesessen oder so, wir waren schließlich schon ziemlich lange zusammen. Aber irgendein hinterhältiger Teil meiner Persönlichkeit hatte damit angefangen, meine eigene Attraktivität in Frage zu stellen.
    Patrick hatte sich an meinem ‹kreativen Kleidergeschmack›, wie er es ausdrückte, nie gestört. Aber was war, wenn das nicht ganz der Wahrheit entsprach? Patricks Arbeit und sein gesamtes Sozialleben drehten sich inzwischen um die Kontrolle des Körpers – er musste gezähmt, abgespeckt, vervollkommnet werden. Was war, wenn er angesichts dieser festen kleinen Hintern in den Trainingshosen meinen plötzlich unzulänglich fand? Was, wenn meine Kurven, von denen ich immer geglaubt hatte, er fände sie schön üppig, unter seinem anspruchsvollen Blick jetzt schlaff und weich erschienen?
    Über all das dachte ich gerade nach, als Mrs. Traynor hereinkam und Will und mir beinahe befahl, endlich das Haus zu verlassen. «Ich habe die Reinigungsfirma herbestellt, damit sie einen richtigen Frühjahrsputz machen, also dachte ich, ihr könntet das schöne Wetter genießen, während sie da sind.»
    Will sah mich mit einem kaum merklichen Heben der Augenbraue an. «Das ist eigentlich keine Bitte, oder, Mutter?»
    «Ich denke einfach, es wäre gut, wenn du an die Luft kommst», sagte sie. «Die Rampe ist schon ausgelegt. Louisa, würden Sie vielleicht einen Tee mit hinausbringen?»
    Es war kein vollkommen unsinniger Vorschlag. Der Garten war wunderschön. Es war, als hätte er sich nach dem leichten Temperaturanstieg entschlossen, so schnell wie möglich grün zu werden. Narzissen waren wie aus dem Nichts aufgetaucht, ihre gelben Blüten kündeten weitere Blumen an. An braunen Ästen brachen Knospen auf, winterharte Stauden bohrten sich langsam durch die schwarze, klumpige Erde. Ich öffnete die Türen, und wir gingen hinaus. Will hielt sich mit seinem Stuhl auf dem mit Naturstein gepflasterten Weg. Er deutete auf eine schmiedeeiserne Bank, auf der Kissen lagen, und ich setzte mich. Wir hielten unsere Gesichter in den schwachen Sonnenschein und hörten den tschilpenden Spatzen in der Hecke zu.
    «Was ist los mit Ihnen?»
    «Warum fragen Sie?»
    «Sie sind so schweigsam.»
    «Sie sagen doch immer, ich soll lieber ruhig sein.»
    «Aber nicht so ruhig. Da mache ich mir Sorgen.»
    «Mit mir ist alles okay», sagte ich. Und dann: «Es ist nur Beziehungskram. Das wollen Sie garantiert nicht wissen.»
    «Ah», sagte er. «Der Langstreckenläufer.»
    Ich schlug die Augen auf, um festzustellen, ob er sich über mich lustig machte.
    «Was ist los?», sagte er. «Kommen Sie, erzählen Sie es Onkel Will.»
    «Nein.»
    «Meine Mutter scheucht die Putzmannschaft dadrin bestimmt noch mindestens eine Stunde herum. Über irgendetwas müssen wir reden.»
    Ich setzte mich auf und drehte mich zu ihm. Sein Haus-Rollstuhl hatte einen Mechanismus, mit dem er die Sitzhöhe verstellen konnte, sodass er mit seinem Gesprächspartner auf Augenhöhe kam. Er benutzte ihn nicht oft, weil ihm davon leicht schwindelig wurde, aber jetzt fuhr er damit hoch. Ich musste sogar zu ihm aufsehen.
    Ich zog den Mantel enger um mich zusammen und blinzelte ihn an. «Also los, was wollen Sie wissen?»
    «Wie lange sind Sie schon zusammen?»
    «Ungefähr sieben Jahre.»
    Er wirkte überrascht. «Das ist eine lange Zeit.»
    «Ja», sagte ich. «Tja.»
    Er beugte sich vor, und ich zog die Decke über seinen Knien zurecht. Der Sonnenschein war trügerisch, er versprach mehr, als er halten konnte. Ich dachte an Patrick, der um Punkt halb sieben aufgestanden war, um sein Frühtraining zu absolvieren. Vielleicht sollte ich auch mit dem Laufen anfangen, damit wir zu einem von diesen Lycra-Paaren würden. Oder vielleicht sollte ich mir Rüschenslips besorgen und mir im Internet Sextipps geben lassen. Aber ich wusste, dass ich weder das eine noch das andere tun würde.
    «Was macht er?»
    «Er ist Fitnesstrainer.»
    «Daher das Laufen.»
    «Daher das Laufen.»
    «Und wie

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