Ein ganzes halbes Jahr
bisschen eingerostet», gab ich zu bedenken. «Aber schlimmer als jetzt kann es eigentlich gar nicht aussehen.»
«Danke für das Kompliment», sagte er.
Ich machte mich an die Arbeit, ließ sein Haar durch meine Finger gleiten und versuchte, mich an das zu erinnern, was ich in dem Friseursalon gelernt hatte. Will, der sich den Film ansah, wirkte entspannt und beinahe zufrieden. Manchmal erklärte er mir etwas zu dem Film – wo der Hauptdarsteller sonst noch mitgespielt hatte, wann er den Film zum ersten Mal gesehen hatte –, und ich gab interessierte Geräusche von mir (ungefähr so wie bei Thomas, wenn er mir seine Spielzeuge vorführt), denn in Wahrheit war meine gesamte Aufmerksamkeit darauf gerichtet, seine Frisur nicht zu verpfuschen. Schließlich hatte ich den größten Teil der Mähne abgeschnitten und ging um ihn herum, um ihn mir anzusehen.
«Und?» Will stellte den DVD-Player auf Pause.
Ich straffte mich. «Ich weiß gar nicht recht, ob es mir gefällt, so viel von Ihrem Gesicht zu sehen. Das könnte ein bisschen nervtötend werden.»
«Fühlt sich kalt an», bemerkte er und drehte seinen Kopf von links nach rechts, als müsste er die Bewegung ausprobieren.
«Moment», sagte ich. «Ich hole zwei Spiegel. Dann können Sie es sich richtig ansehen. Aber nicht bewegen. Ich muss noch ein bisschen was nachschneiden. Vielleicht ein Ohr?»
Ich war im Schlafzimmer und zog auf der Suche nach einem kleinen Spiegel die Schubladen auf, als ich die Tür gehen hörte. Zwei Schuhpaare klapperten über die Fliesen, dann hörte ich Mrs. Traynor besorgt die Stimme erheben.
«Georgina, bitte, tu das nicht.»
Die Wohnzimmertür wurde aufgerissen. Ich schnappte mir den Spiegel und hastete aus dem Schlafzimmer. Ich wollte mich nicht wieder erwischen lassen, wenn ich nicht bei Will war. Mrs. Traynor stand an der Wohnzimmertür, hatte beide Hände vor den Mund gehoben und verfolgte den Streit, der sich im Zimmer abspielte.
«Du bist der egoistischste Kerl, der mir je untergekommen ist!», schrie eine junge Frau. «Ich fasse es nicht, Will. Du warst schon damals egoistisch, und jetzt bist du noch schlimmer geworden.»
«Georgina.» Mrs. Traynors Blick flackerte kurz zu mir, als ich näher kam. «Bitte, hör auf.»
Ich ging hinter ihr ins Wohnzimmer. Will, das Handtuch um die Schultern, sah eine junge Frau an. Sie hatte langes dunkles Haar, das sie am Hinterkopf zu einem unordentlichen Knoten zusammengesteckt hatte. Ihre Haut war sonnengebräunt, und sie trug teure, pseudoabgewetzte Jeans und Wildlederstiefel. Wie Alicia hatte sie schöne und sehr regelmäßige Gesichtszüge, und ihre Zähne waren so unglaublich weiß wie in einer Zahnpastareklame. Das konnte ich beurteilen, weil sie ihn immer noch mit zornrotem Gesicht anfauchte. «Ich fasse es nicht. Ich fasse es einfach nicht, dass du kein bisschen darüber nachdenkst. Was glaubst du eigentlich …?»
« Bitte . Georgina», sagte Mrs. Traynor scharf. «Das ist jetzt nicht der richtige Moment.»
Will starrte mit teilnahmsloser Miene vor sich hin.
«Entschuldigung … Will? Brauchen Sie etwas?», sagte ich leise.
Die junge Frau wirbelte zu mir herum und sagte: «Wer sind Sie denn?» Erst jetzt fiel mir auf, dass sie Tränen in den Augen hatte.
«Georgina», sagte Will. «Darf ich dir Louisa Clark, meine bezahlte Gesellschafterin und schockierend originelle Friseurin, vorstellen? Louisa, das ist meine Schwester Georgina. Sie scheint den ganzen Weg von Australien hierhergeflogen zu sein, nur um mich anzubrüllen.»
«Spiel nicht den Unschuldigen», sagte Georgina. «Mummy hat mir genug erzählt. Sie hat mir alles erzählt.»
Niemand rührte sich.
«Ich lasse Sie lieber ein bisschen allein», sagte ich.
«Das ist eine gute Idee.» Mrs. Traynor saß auf dem Sofa, ihre Fingerknöchel waren weiß, so fest hatte sie die Fäuste geballt.
«Eigentlich wäre es sogar ein guter Moment, um Ihre Mittagspause zu machen, Louisa», sagte sie.
Ich glitt aus dem Zimmer.
Es sah nach einem Bushaltestellen-Mittagspausen-Tag aus. Ich holte mir mein Sandwich aus der Küche, streifte meinen Mantel über und ging zur Tür.
Bevor ich hinausging, hörte ich noch einmal Georgina Traynors erhobene Stimme. «Ist dir überhaupt schon mal in den Sinn gekommen, Will, dass diese Sache nicht nur dich allein betrifft?»
Als ich genau eine halbe Stunde später wiederkam, war es still im Haus. Nathan wusch in der Küchenspüle einen Becher ab.
Er drehte sich zu mir um, als ich
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