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Ein ganzes halbes Jahr

Ein ganzes halbes Jahr

Titel: Ein ganzes halbes Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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Babysitterdienste der Familie angewiesen war. So etwas durfte man allerdings bei uns zu Hause nicht sagen, denn meiner Mutter zufolge bedeutete es, dass man Thomas nicht als wahren Segen für uns alle betrachtete. Es waren nämlich alle Kinder Gottesgeschenke, sogar, wenn sie reichlich oft Scheißer sagten, und sogar, wenn ihre Existenz bedeutete, dass sich die Hälfte der potenziellen Verdiener in unserer Familie keinen anständigen Job suchen konnten.
    Ich durfte ihnen nicht die Wahrheit sagen. Ich wusste, dass ich Will und seiner Familie nichts schuldete, aber ich wollte sie nicht den neugierigen Blicken der Leute aussetzen.
    All das ging mir durch den Kopf, als ich aus dem Bus stieg und den Hügel hinunterging. Und dann kam ich zur Einmündung unserer Straße, hörte Geschrei und spürte die Anspannung, die in der Luft lag, und alles war für einen Moment vergessen.
    Vor unserem Haus hatte sich eine kleine Menschentraube gebildet. Ich ging schneller, befürchtete, dass etwas passiert war, aber dann sah ich meine Eltern auf der Veranda stehen und die Hälse recken. Es ging überhaupt nicht um unser Haus, sondern nur um den jüngsten der vielen Kleinkriege, die das Nachbarsehepaar ständig führte.
    Dass Richard Grisham nicht der treueste Ehemann aller Zeiten war, wusste in unserer Straße jeder. Aber angesichts der Szene in seinem Vorgarten hätte man denken können, seine Frau wäre vollkommen ahnungslos gewesen.
    «Du hältst mich wohl für blöd! Sie hat dein T-Shirt getragen! Das T-Shirt, das ich dir zum Geburtstag geschenkt habe!»
    «Babe … Dympna … es ist nicht so, wie du denkst.»
    «Ich wollte deine verdammten schottischen Eier kaufen! Und da sehe ich sie, in deinem T-Shirt! Frech wie Oskar! Und ich esse nicht mal gern schottische Eier!»
    Ich verlangsamte meinen Schritt und schob mich zwischen den Leuten zu unserer Gartentür durch, während sich Richard duckte, um dem DVD-Player auszuweichen. Als Nächstes kam ein Paar Schuhe.
    «Wie lange geht das schon?»
    Meine Mutter, die Schürze ordentlich um die Taille gebunden, löste ihre verschränkten Arme und warf einen Blick auf die Uhr. «Eine gute Dreiviertelstunde. Bernard, was meinst du? Eine Dreiviertelstunde?»
    «Kommt darauf an, ob du von dem Moment an rechnest, in dem sie die Kleidung rausgeworfen hat, oder von da ab, wo er nach Hause gekommen ist und die Sachen im Garten entdeckt hat.»
    «Ich würde sagen, ab da, wo er nach Hause gekommen ist.»
    Dad dachte kurz nach. «Dann ist es eher eine halbe Stunde. Allerdings hat sie in den ersten fünfzehn Minuten ziemlich viel aus dem Fenster geworfen.»
    «Dein Dad sagt, wenn sie ihn dieses Mal tatsächlich an die Luft setzt, geht er zu ihr und macht ihr ein Angebot für Richards Black and Decker.»
    Inzwischen war die Menge angewachsen, und Dympna Grisham zeigte keinerlei Ermüdungserscheinungen. Im Gegenteil, das größer werdende Publikum schien sie noch anzuspornen.
    «Und deine Schmuddellektüre kannst du ihr auch gleich mitbringen», kreischte sie und schleuderte einen Stapel Zeitschriften aus dem Fenster.
    Die Menge johlte.
    «Dann wirst du ja sehen, wie es ihr gefällt, wenn du mit diesem Schweinkram den halben Sonntagnachmittag auf dem Klo sitzt!» Sie verschwand im Inneren des Hauses, tauchte gleich wieder am Fenster auf und kippte den Inhalt eines Wäschekorbs auf den Rasen. «Und deine dreckigen Unterhosen. Mal sehen, ob sie dich immer noch für so einen … wie war das noch? … heißen Hengst hält, wenn sie die jeden Tag für dich waschen muss!»
    Richard raffte sinnlos die Sachen zusammen, die sie auf den Rasen warf. Er rief etwas zum Fenster hinauf, war aber bei dem Lärm und dem Gejohle kaum zu verstehen. Als wollte er sich für den Moment geschlagen geben, schob er sich durch die Menge, schloss sein Auto auf, hievte einen Armvoll seiner Sachen auf den Rücksitz und knallte die Autotür zu. Während seine CD-Sammlung und seine Videospiele schon diverse Liebhaber gefunden hatten, rührte kein Mensch seine dreckige Wäsche an.
    Rums . Einen Moment herrschte Stille, nachdem seine Stereoanlage auf dem Gartenweg gelandet war.
    Er starrte ungläubig zu ihr hoch. «Du durchgeknallte Kuh!»
    «Du fickst diese pilzverseuchte schielende Schlampe, und ich soll die durchgeknallte Kuh sein?»
    Meine Mutter wandte sich an meinen Vater: «Möchtest du eine Tasse Tee, Bernard? Ich finde, es wird ein bisschen kühl.»
    Mein Vater sagte, ohne die Augen vom Nachbarhaus abzuwenden: «Das wäre

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