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Ein ganzes halbes Jahr

Ein ganzes halbes Jahr

Titel: Ein ganzes halbes Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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wundervoll, Liebling. Danke.»
    Als meine Mutter hineinging, fiel mir das Auto auf. Es kam so unerwartet, dass ich es zuerst nicht erkannte – Mrs. Traynors Mercedes, marineblau und diskret. Sie hielt an, betrachtete die Szene auf dem Gehweg und zögerte kurz, bevor sie ausstieg. Dann stand sie vor ihrem Wagen und ließ ihren Blick über die Häuser wandern, vermutlich suchte sie nach den Hausnummern. Und dann sah sie mich.
    Ich kam von der Veranda herunter und ging durch den Vorgarten, bevor mich Dad fragen konnte, wohin ich wollte. Mrs. Traynor stand nun am Rand der Menge und blickte auf das Chaos wie Marie-Antoinette auf den randalierenden Pöbel.
    «Ehestreit», sagte ich.
    Sie wandte den Blick ab, als wäre es ihr peinlich, beim Zusehen erwischt worden zu sein. «Ich verstehe.»
    «Für ihre Verhältnisse geht es ziemlich konstruktiv zu. Sie waren kürzlich bei einer Eheberatung.»
    Ihr eleganter Wollanzug, die Perlen und die perfekte Frisur machten sie zu einer Erscheinung in unserer Straße, in der Jogginghosen und Polyesterkleidung in leuchtenden Farben dominierten. Sie wirkte starr und unnachgiebig, schlimmer noch als an dem Morgen, an dem sie mich schlafend in Wills Zimmer entdeckt hatte. Flüchtig ging mir durch den Kopf, dass ich Camilla Traynor jedenfalls nicht vermissen würde.
    «Ich würde mich gerne mit Ihnen unterhalten.» Sie musste ihre Stimme heben, um über das Geschrei hinweg verständlich zu werden.
    Mrs. Grisham warf inzwischen Richards teuren Wein aus dem Fenster. Jede explodierende Flasche wurde mit lautem Beifall gewürdigt, nachdem ihr Flug von flehentlichen Rufen Mr. Grishams begleitet worden war. Ein Strom Rotwein floss zwischen den Füßen der Leute in den Rinnstein.
    Ich sah zu der Menge hinüber und dann zurück zu unserem Haus. Ich konnte mir nicht vorstellen, mit Mrs. Traynor in unser Wohnzimmer zu gehen, in dem überall Spielzeugautos herumlagen, Großvater leise vor dem Fernseher schnarchte, Mum mit Raumspray den Geruch von Dads Socken zu vertreiben versuchte und Thomas vorbeikam, um dem neuen Gast ein Scheißer zuzumurmeln.
    «Also … es passt gerade nicht so gut.»
    «Könnten wir vielleicht in meinem Auto reden? Nur fünf Minuten, Louisa. Das schulden Sie uns.»
    Ein paar Nachbarn sahen zu uns herüber, als ich in das Auto stieg. Ich war froh, dass die Grishams für die Abendunterhaltung sorgten, sonst wäre ich zum Gesprächsthema geworden. Wenn man in unserer Straße in ein teures Auto stieg, bedeutete das, dass man entweder einen Fußballer aufgerissen hatte oder von der Polizei verhaftet wurde.
    Die Türen schlossen sich mit einem luxuriösen, satten Geräusch, und plötzlich herrschte Stille. In dem Wagen roch es nach Leder, und außer mir und Mrs. Traynor befand sich darin nichts. Keine Bonbonpapiere, kein angetrockneter Schlamm, keine vergessenen Spielsachen und keine Duftbäume am Rückspiegel, die den Geruch der Milch überdecken sollten, die vor drei Monaten ausgelaufen war.
    «Ich dachte, Will und Sie kommen gut zurecht.» Sie sprach, als würde jemand direkt vor ihr sitzen. Als ich nichts sagte, fuhr sie fort: «Haben Sie ein Problem mit der Bezahlung?»
    «Nein.»
    «Brauchen Sie eine längere Mittagspause? Mir ist klar, dass sie sehr kurz ist. Ich könnte Nathan fragen, ob er …»
    «Es liegt nicht an der Arbeitszeit. Oder am Geld.»
    «Dann …»
    «Ich möchte wirklich nicht …»
    «Hören Sie, Sie können nicht Ihre sofortige Kündigung einreichen und erwarten, dass ich nicht einmal frage, was um alles in der Welt los ist.»
    Ich holte tief Luft. «Ich habe zufällig Ihr Gespräch mitbekommen. Das zwischen Ihnen und Ihrer Tochter. Gestern Abend. Und ich will nicht … ich will an dieser Sache nicht beteiligt sein.»
    «Ah.»
    Schweigend saßen wir nebeneinander. Mr. Grisham versuchte gerade, zur Haustür hineinzukommen, und Mrs. Grisham bewarf ihn von einem Fenster aus mit allem, was ihr in die Hände fiel. Die Auswahl an Wurfgegenständen – Toilettenpapierrollen, Tamponschachteln, Toilettenbürste, Shampooflaschen – deutete darauf hin, dass sie sich nun im Badezimmer befand.
    «Bitte, gehen Sie nicht», sagte Mrs. Traynor ruhig. «Will fühlt sich wohl mit Ihnen. Es geht ihm so gut wie seit langem nicht mehr. Ich … es wäre sehr schwer für uns, das mit jemand anderem wieder aufzubauen.»
    «Aber Sie … Sie bringen ihn dorthin, wo die Leute Selbstmord begehen. Dignitas.»
    «Nein. Ich unternehme alles, was ich kann, damit er das

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