Ein ganzes halbes Jahr
mit den Mädchen aus meiner Schule. Mum war zu sehr in ihre Trauer versunken, um etwas davon zu bemerken, und Dad schob jede Stimmungsschwankung in unserem Haushalt und meine neue Angewohnheit, mich in meinem Zimmer einzuschließen, auf «Frauenprobleme». Ich hatte herausgefunden, wer ich war, und diese Person unterschied sich sehr von dem albernen Mädchen, das sich mit Fremden betrank. Ich war eine Person, die nichts trug, was als aufreizend betrachtet werden konnte. Jedenfalls keine Kleidung, die Männer attraktiv fanden, die in den Red Lion gingen.
Langsam kehrte wieder der Alltag ein. Ich suchte mir Arbeit im Friseursalon, dann im Buttered Bun, und ließ die ganze Geschichte hinter mir.
Seit diesem Tag bin ich bestimmt fünftausendmal an der Burg vorbeigekommen.
Aber ich habe nie wieder einen Fuß in das Labyrinth gesetzt.
[zur Inhaltsübersicht]
Kapitel 13
P atrick joggte am Rand der Aschenbahn auf der Stelle. Sein neues Nike-T-Shirt und seine Shorts klebten an seiner schweißfeuchten Haut. Ich war vorbeigekommen, um hallo zu sagen und dass ich an diesem Abend nicht zu dem Treffen der Triathlon Terrors im Pub kommen würde. Nathan war nicht da, und ich sprang ein, um das abendliche Pflegeprogramm zu übernehmen.
«Das ist das dritte Treffen, das du verpasst.»
«Wirklich?» Ich zählte die Wochen an den Fingern ab. «Tja, kann tatsächlich sein.»
«Nächste Woche musst du aber kommen. Wir planen die Reise zum Xtreme Viking. Und du hast mir noch nicht gesagt, was du an deinem Geburtstag machen willst.» Er begann mit seinen Dehnungsübungen, hob das Bein und drückte das Knie gegen die Brust. «Ich hab gedacht, wir könnten ins Kino gehen. Ich will kein großes Abendessen, jetzt, wo ich in der Trainingsphase bin.»
«Aha. Mum und Dad planen zu Hause ein Geburtstagsessen für mich.»
Er umfasste die Ferse seines Schuhs und dehnte das Knie Richtung Boden.
Ich konnte nicht übersehen, dass sein Bein reichlich sehnig geworden war.
«Das ist nicht gerade eine rauschende Partynacht, oder?»
«Das Multiplex aber genauso wenig. Na ja, ich glaube, ich sollte das Geburtstagsessen annehmen. Mum ist ein bisschen deprimiert.»
Treena war am Wochenende davor ausgezogen (ohne meine Zitronenkulturtasche – die hatte ich in der Nacht vor ihrer Abfahrt noch gerettet). Mum war am Boden zerstört. Es war noch schlimmer als bei Treenas erstem Auszug, als sie damals an die Uni gegangen war. Thomas fehlte Mum wie eine amputierte Gliedmaße. Seine Spielsachen, die seit seiner Babyzeit den Wohnzimmerboden übersät hatten, waren in Schachteln gepackt und weggeräumt worden. Es gab keine Schokoladenfingerabdrücke mehr auf den kleinen Getränkepackungen im Schrank. Mum hatte keinen Grund mehr, um Viertel nach drei zur Schule zu gehen, niemanden, mit dem sie auf dem kurzen Heimweg plaudern konnte. Das war praktisch die einzige Gelegenheit gewesen, bei der sie aus dem Haus gegangen war. Jetzt ging sie nirgends mehr hin, abgesehen von dem wöchentlichen Einkauf im Supermarkt mit Dad.
Sie wanderte drei Tage mit leicht verlorenem Blick im Haus umher, dann begann sie den Frühjahrsputz mit einer Vehemenz, die sogar Großvater erschreckte. Er murmelte leisen Protest, wenn sie unter seinem Stuhl staubsaugte, während er noch darauf saß, oder mit ihrem Staubwedel über seine Schultern fuhr. Treena hatte gesagt, sie würde die ersten vier Wochenenden nicht nach Hause kommen, damit Thomas die Möglichkeit hatte, sich richtig an die neue Umgebung zu gewöhnen. Bei ihren allabendlichen Anrufen telefonierte Mum mit ihnen und weinte danach eine halbe Stunde in ihrem Schlafzimmer.
«Du arbeitest immer so lange im Moment. Es kommt mir so vor, als würde ich dich gar nicht mehr sehen.»
«Tja, und du trainierst immer. Egal, es ist gutes Geld, Patrick. Ich werde wohl kaum die Überstunden ablehnen.»
Dagegen konnte er nichts sagen.
Ich verdiente mehr als je zuvor. Ich gab meinen Eltern doppelt so viel Geld wie früher, zahlte jeden Monat etwas auf ein Sparkonto ein und hatte immer noch mehr übrig, als ich ausgeben konnte. Zum Teil lag das an meinen langen Arbeitszeiten im Granta House, die dazu führten, dass ich selten zu Ladenöffnungszeiten in der Stadt war. Und der andere Grund war, dass ich einfach keine Lust zum Geldausgeben hatte. Ich hatte angefangen, meine spärliche Freizeit in der Bibliothek zu verbringen und Sachen im Internet nachzusehen.
Mit dem Computer eröffnete sich mir Stück für Stück eine ganz neue Welt, und
Weitere Kostenlose Bücher