Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom
Ladenbesitzer ihn sofort ein, weil er erkannt hatte, dass der Junge mit seinem Wissen und seiner Begeisterung ein sehr guter Verkäufer sein würde.
Das Spezialinteresse »Wetter« könnte zu einer Beschäftigung als Meteorologe führen.
Ein Interesse an Stadtplänen und Landkarten ist möglicherweise eine gute Voraussetzung zu einer Beschäftigung als Taxifahrer oder LKW-Fahrer,
Interesse an verschiedenen Kulturen und Sprachen führt vielleicht zum Beruf des Reiseleiters oder Übersetzer.
Stephen Shore reparierte und baute gerne Fahrräder. Er bekam eine Arbeitsstelle als Mechaniker in einem Fahrradladen, nachdem er sein selbst gebautes Fahrrad als eine Art Bewerbung präsentiert hatte und nicht unerwähnt ließ, dass er auch die Räder selbst herstellen konnte. Das war eine seltene und gefragte Fähigkeit. Der Geschäftsinhaber beauftragte ihn zunächst mit dem Bau von zehn Rädern. In der Folge erhielt er weitere Aufträge und wurde schließlich selbst Besitzer des Ladens.
Eltern werden sich überlegen, wie sie die Interessen des Kindes fördern können, um damit eine Grundlage für einen Beruf zu schaffen. Ich glaube, dass beispielsweise Computer von und für Menschen mit Asperger-Syndrom entwickelt wurden und dass im 21. Jahrhundert Computerfähigkeiten in vielen Berufen gefragt sein werden. Ein Interesse an Büchern und Katalogisierungssystemen könnte zum Beruf des Bibliothekars befähigen. Besonderes Interesse an Tieren verhilft vielleicht zu einer Karriere in der Tiermedizin.
Über gefragtes Fachwissen verfügen
Temple Grandin empfiehlt Menschen mit Autismus oder Asperger-Syndrom, ihr Fachwissen zu benutzen und zu vertiefen, um eine Beschäftigung zu finden, statt sich nur um den Erwerb sozialer Fähigkeiten zu bemühen. Eine Bewerbung kann dann Beispiele seiner Fähigkeiten und seines Wissens beinhalten, mit denen er seine sozialen Schwierigkeiten kompensieren kann.
Eine wissenschaftliche Karriere ergibt sich manchmal durch die Anhäufung von Fachwissen zum Spezialgebiet fast von selbst. Ein Professor mit Asperger-Syndrom, der an einer Universität in Kalifornien tätig ist, schrieb mir: »Das Beste bei einer Hochschule ist, dass wir dafür bezahlt werden, über unser Lieblingsthema zu reden, wobei die Studenten mitschreiben und unsere klugen Worte in den Klausuren wiedergeben.«
Möglicherweise kommen Erwachsene mit Asperger-Syndrom auch in einem speziellen Arbeitsumfeld zusammen, in dem ihr Fachwissen besonders gefragt ist. Unternehmen, die Ingenieure oder Computerexperten beschäftigen, haben vermutlich mehr Angestellte mit Asperger-Syndrom, als es der üblichen Verteilung in der Gesellschaft entspricht. Hier könnte eine »Asperger-freundliche« Gemeinschaft entstehen. Dies kann auch in Künstlergemeinschaften geschehen, in denen ungewöhnliche oder exzentrische Charaktere akzeptiert werden, weil sie über besondere Fähigkeiten als Schriftsteller oder Künstler verfügen. 50
Das Interesse in die Verhaltenstherapie einbeziehen
Die wichtigste psychologische Behandlungsmethode für affektive Störungen ist die kognitive Verhaltenstherapie (KVT). Ich habe verschiedene Modifikationen der KVT entwickelt, um sie an die kognitiven und sozialen Fähigkeiten beim Asperger-Syndrom anzupassen. 51 Eine Besonderheit ist ein »Werkzeugkasten«, mit dem sich Gefühle »reparieren« lassen (siehe Kapitel 6). Da das Spezialinteresse als Quelle der Freude und der Entspannung dient, kann man es auch als Werkzeug zur Verbesserung des Gefühlslebens verwenden. Ablenkung, Trost und Gespräch erweisen sich dagegen oft als untaugliche Mittel bei der Steuerung der Gefühle.
Man kann das Spezialinteresse auch im Rahmen der kognitiven Restrukturierung verwenden. So hatte ein Jugendlicher mit einem Asperger-Syndrom und einer Zwangsstörung Angst davor, durch Bakterien infiziert zu werden. Sein Spezialinteresse war die Fernsehserie Doctor Who, in der es um Reisen durch Raum und Zeit geht. Im Therapieprogramm übernahm nun der Klient die Rolle des Doctor Who, der auf einem Planeten gestrandet ist. Auf diesem Planeten lebt ein unsichtbares Monster, das Angst produziert und davon lebt. Ich, der klinische Psychologe, stellte einen Wissenschaftler dar, der das Verhalten des Monsters studiert. Gemeinsam entwickelten wir nun Strategien, mit deren Hilfe das Monster besiegt und eine Flucht von dem Planeten bewerkstelligt werden konnte. Dieser Ablauf ähnelte den Fernsehepisoden und bot eine Rolle sowie eine Vorstellung und Struktur,
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