Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom
Repertory-Grid (Konstrukt-Repertoire-Raster) lässt sich das Repertoire an Konstrukten eines Menschen erfassen. Das Raster ermöglicht dabei eine visuelle Darstellung der Selbstcharakterisierung, der Art und Weise, wie derjenige sein Weltbild und seine Beziehungen zu anderen konstruiert. Mit dieser Technik lassen sich auch Änderungen im Selbstverständnis und bei den persönlichen Eigenschaften zeigen.
Praktisch funktioniert es so, dass man gemeinsam mit dem Klienten sein Repertory-Grid erstellt, bestehend aus Elementen und Konstrukten. Dabei stehen die Elemente für andere Menschen. Der Klient wird nun gebeten, die Namen von Menschen, die in seinem Leben eine wichtige Rolle spielen, jeweils auf leere Karten zu schreiben. Auf zwei weitere Karten schreibt er: »Wie ich gerne wäre« und »wie ich jetzt bin«. Die Elemente (Menschen) werden dann verwendet, um Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen ihnen zu erkennen. Der Klient zieht wahllos zwei oder drei Karten und soll dann angeben, in welcher Hinsicht sie sich voneinander unterscheiden bzw. in welcher Hinsicht sie sich ähnlich sind. Die Antwort gilt dann als Konstrukt. Derjenige beschreibt dann zwei extreme Eigenschaften des Konstrukts, zum Beispiel hilfreich und nicht hilfreich. Dann werden diese beiden Eigenschaften auf die entgegengesetzten Enden eines großen Stück Papiers geschrieben und die Karten mit den entsprechenden Personen müssen dann entsprechend zwischen die beiden Extrem eigenschaften platziert werden; im Beispiel wird also eine besonders hilfreiche Person an das Ende »hilfreich« platziert, eine wenig hilfreiche Person an das andere Ende. Der Psychologe notiert sich dabei die vom Klienten gewählte Reihenfolge der Elemente. Das wird dann mit verschiedenen anderen Eigenschaften wiederholt, bis verschiedene bzw. ausreichend viele Konstrukte gebildet worden sind. Die Anordnung der Elemente lässt sich visuell oder durch einen Computer analysieren.
Neben der kognitiven Verhaltenstherapie (siehe Kapitel 6) ist die Psychologie der persönlichen Konstrukte für Menschen mit Asperger-Syndrom besonders zu empfehlen.
Häufige Konstrukte
Erwachsene mit Asperger-Syndrom haben oft unreife Konstrukte und bei ihnen kommen bestimmte Konstrukte besonders oft vor. Häufig werden andere Menschen von ihnen etwa nach ihren intellektuellen Fähigkeiten sortiert, da diese für denjenigen von besonders hohem Wert sind. Für ihn ist es eine besonders grobe Beleidigung, wenn er »dumm« genannt wird. Er selbst bewundert dagegen vor allem besonders intelligente Menschen. Zum persönlichen Profil kann auch eine gewisse intellektuelle Arroganz gehören. Das war für mich eine wichtige Information und ich habe mich darauf eingestellt, wenn ich solche Kinder loben will. Für normale Kinder ist es besonders motivierend, wenn man ihnen sagt, dass das, was sie getan haben, andere Leute stolz oder glücklich macht. Ein solcher altruistischer Wunsch, anderen einen Gefallen zu tun, wird für Kinder mit Asperger-Syndrom weniger motivierend sein. Stattdessen appelliere ich hier lieber an ihre intellektuelle Eitelkeit und lobe die Intelligenz und wie klug derjenige ist, statt zu sagen, wie ich mich darüber freue.
Verstehen und akzeptieren, wer man ist
Zu den Endzielen im Leben, wie auch in der Psychotherapie, gehört, zu verstehen und zu akzeptieren, wer man ist. Einige Menschen mit Asperger-Syndrom erreichen das auch ohne Therapie. Warwick, ein 12-jähriger Junge, schrieb mir in einer E-Mail: »Ich wünsche mir, dass wir Kinder mit Asperger-Syndrom mit unseren Macken akzeptiert werden. Für mich ist es ermüdend, anstrengend und langweilig, so viel Zeit damit zu verbringen, zuzuschauen, was andere tun. Manchmal möchte ich einfach nur ich selbst sein und ich bin froh, dass ich bin, wie ich bin.« Ein Erwachsener sagte mir: »Ich will nicht länger normal werden. Ich nehme meine Aspie-Art an und möchte andere teilhaben lassen an meiner Freude, ich selbst zu sein.«
Der Vater von Liane Holliday Willey sagte: »Wenn wir Menschen mit Asperger-Syndrom einen besseren Pressevertreter hätten, dann könnten wir bestimmen, wie man uns wahrnimmt, nicht die Neurotypischen.«
AUS DEM LEBEN
»Ich bin ein Aspie«
Rebbecca schrieb mir folgende E-Mail:
»Ich bin, wenn man so will, ein eigenartiges Mitglied der Gesellschaft. Ich gehöre zu denen, denen man nicht verzeiht. Man hat mich einen Träumer und einen Freak genannt. Oder, je nach Generation, Nerd, Geek, Spasti oder Streber. Aber
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