Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom
sortiert, würde aber kaum jemals ein anderes Mädchen mit den Puppen mitspielen lassen.
Sie referieren wie »kleine Philosophinnen«
Bei einem Gespräch mit einem Jungen mit Asperger-Syndrom kann der Zuhörer den Eindruck gewinnen, mit einem »kleinen Professor« zu reden, der ein Vokabular verwendet, das seinem Alter voraus ist, und der viele interessante (oder auch langweilige) Fakten referiert. Mädchen mit Asperger-Syndrom können sich dagegen wie »kleine Philosophinnen« anhören, die tiefe Einsichten über soziale Situationen haben. Bereits in jungen Jahren verwenden Asperger-Mädchen ihre kognitiven Fähigkeiten, um soziale Interaktionen zu analysieren und sie werden eher als Jungen über die Widersprüche in sozialen Konventionen und über ihre eigenen Gedanken über soziale Ereignisse reden.
Die Schwierigkeiten der motorischen Koordination sind bei Mädchen weniger auffällig. Es ist auch weniger wahrscheinlich als bei Jungen, dass sie auffällige Verhaltensprobleme entwickeln.
Wenn also ein Mädchen die Fähigkeit entwickelt hat, ihre Symptome des Asperger-Syndroms auf dem Schulhof und im Klassenzimmer und sogar während der diagnostischen Beurteilung selbstzu verstecken, dann wird es Eltern, Lehrern und Spezialisten schwerfallen, dennoch Symptome des Asperger-Syndroms wahrzunehmen.
Oft suchen sie erst im Erwachsenenalter die Diagnose
In meiner Klinik sehe ich Menschen aller Altersklassen mit Asperger-Syndrom und auch wenn der Anteil an Erwachsenen vergleichsweise klein ist, ist mir aufgefallen, dass das Verhältnis zwischen Männern und Frauen nahezu zwei zu eins beträgt. Viele der Frauen hatten zuvor nicht genügend Selbstbewusstsein oder keinen Anlass, um eine diagnostische Beurteilung anzustreben. Mit zunehmender Reife sind sie dann auch zunehmend bereit, Hilfe zu suchen, insbesondere, wenn ungelöste und lang andauernde Probleme mit den Gefühlen, mit der Arbeit und mit Beziehungen bestehen. Ein weiterer Diagnoseanlass ist gegeben, wenn eine Frau ein Kind mit Asperger-Syndrom bekommt und dann erkennt, dass sie dieselben Symptome aufweist wie das Kind. Wir müssen noch mehr über das herausfinden, was Ruth Baker, eine Frau mit Asperger-Syndrom, das »unsichtbare Ende des Spektrums« nennt.
Erwachsene diagnostizieren
Die diagnostische Beurteilung von Erwachsenen stellt den Spezialisten vor eine Reihe von Problemen. Die Kindheit desjenigen liegt schon viele Jahre zurück und die Erinnerungen entweder dieser Person selbst oder der Angehörigen, die im Verlauf des diagnostischen Prozesses befragt werden, können durch die Länge der verstrichenen Zeit beeinträchtigt sein. Eine Stütze für das Gedächtnis oder für die Diskussion können hier Fotos sein, die die Person als Kind zeigen. Familienfotos werden meist anlässlich von sozialen Situationen aufgenommen, was Gelegenheit bieten kann festzustellen, ob das Kind an der sozialen Interaktion teilnimmt oder nicht. Gespräche während der Diagnose können sich um die abgebildete soziale Situation und um die soziale Kompetenz und das Selbstvertrauen drehen, das derjenige dabei zeigt. Schulzeugnisse können ebenfalls hilfreich sein, um anzuzeigen, inwieweit es Probleme bei Beziehungen mit Gleichaltrigen, bei Lernfähigkeiten oder beim Verhalten in der Schule gegeben hat.
Heute haben wir Fragebögen, mit denen die Fähigkeiten und die Persönlichkeitsmerkmale von Erwachsenen mit Asperger-Syndrom identifiziert werden können. Die Analyse der Antworten und Ergebnisse dieser Fragebögen können für die Fachkraft von großem Nutzen sein. Es kann von Vorteil sein, wenn die Angaben der untersuchten Person von Familienangehörigen bestätigt werden. So wurde ein Mann zu seinen Freunden gefragt, die er als Kind gehabt habe und ob ihn andere Kinder zu Hause besucht hätten. Er antwortete, dass andere Kinder ihn auch zu Hause besucht hätten, was für ein gewisses Maß an Beliebtheit und Freundschaft sprach. Seine Mutter bestätigte, dass tatsächlich andere Kinder zu ihnen nach Hause gekommen waren, dass sie aber nicht mit ihm, sondern lieber mit seinen Spielsachen gespielt hätten. Er selbst dagegen habe lieber für sich in seinem Zimmer mit Lego gespielt.
Es ist möglich, dass der Erwachsene oder Jugendliche den Spezialisten bewusst in die Irre führt, um sein eigenes Selbstwertgefühl zu bewahren oder um eine Diagnose zu vermeiden, die als eine Geisteskrankheit wahrgenommen werden könnte.
Während der diagnostischen Beurteilung gibt der Klient
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