Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom
Fachbücher, die von Isabelle Hénault entworfen wurden, um Pubertät und Sexualität zu erklären; sie wurden speziell für Jugendliche mit Asperger-Syndrom konzipiert. 34
Phase 4: Freundschaften von 13 Jahren bis zum Erwachsenenalter
In der vorherigen Phase gibt es vielleicht einen kleinen Kern von engen Freunden, doch in Phase vier steigt die Zahl der Freunde und auch die Breite und Tiefe der Freundschaften an. Es kann verschiedene Freunde für verschiedene Bedürfnisse geben, etwa für Trost, Humor oder für praktischen Rat. Ein Freund wird definiert als jemand, der »mich so akzeptiert, wie ich bin« und der »ebenso über die Dinge denkt wie ich.« Ein Freund bietet ein Gefühl persönlicher Identität und passt zur eigenen Persönlichkeit. In dieser Phase ist es wichtig, dass man in der Lage ist, sich selbst anzunehmen, wie man ist, ehe man fähig ist, eine Beziehung zu anderen auf einer erwachsenen Ebene aufzunehmen – sonst werden Freundschaften nur benutzt als Mittel, persönliche Probleme zu lösen. Es gibt weniger konkretere und dafür abstraktere Definitionen von Freundschaft, bei denen sie als eine Art autonomer Interdependenz beschrieben wird. Die Freundschaften werden weniger besitzergreifend und exklusiv. Konflikte werden durch Selbstreflexion, Kompromisse und Verhandlungengelöst. Während der Jugend basieren Freundschaften oft auf gemeinsamen Interessen, etwa schulischen Leistungen, der gemeinsamen Teilnahme am Sport oder an Freizeitaktivitäten und der Leidenschaft für eine gemeinsame Sache, beispielsweise der Beendigung des Hungers in der Welt. Die Person verbringt die Zeit immer häufiger mit Freunden statt mit den Eltern und die Loyalität gilt auch eher den Freunden als der Familie.
AUS DEM LEBEN
»Soziale Fähigkeiten sind für mich wie eine Fremdsprache«
Junge Erwachsene mit Asperger-Syndrom können über eine bemerkenswerte Einsicht in die Schwierigkeiten verfügen, denen sie in sozialen Situationen ausgesetzt sind. Scott hat das Asperger-Syndrom und schrieb in einem Essay für die Hochschule:
»Soziale Fähigkeiten sind für mich wie eine Fremdsprache. Mein Umgang mit Gleichaltrigen ist ungeschickt und ohne Intuition. Ich muss raten, ob ein Verhalten angemessen ist oder nicht, während meine Freunde sich scheinbar mühelos auf ihren Instinkt verlassen können. Diese Schwierigkeiten, mich durch die täglichen sozialen Herausforderungen zu manövrieren, bilden den größten Nachteil meiner neurologischen Störung, einer hoch funktionalen Form des Autismus, die Asperger-Syndrom heißt und die es mir schwerer macht, ein normales Leben zu führen. Doch auch wenn ich mitunter entmutigt bin, glaube ich nicht, dass das Asperger-Syndrom etwas ist, dessen ich mich schämen müsste; es ist einfach eine andere Art und Weise, die Welt zu betrachten. Die meisten Menschen, denen ich begegne, wissen nichts über das Asperger-Syndrom und missverstehen daher mein Verhalten. Meine Versuche, Freundschaften zu schließen, haben etwa oft Leute abgeschreckt.« 35
Hilfreiche Maßnahmen in Phase 4
Eines der Merkmale eines guten Freundes in Phase 4 ist, dass es jemand ist, »der mich so akzeptiert, wie ich bin.« Einige Erwachsene mit Asperger-Syndrom haben mir gegenüber erklärt, dass niemand sie so zu akzeptieren schien, wie sie waren: »Sie wollten immer, dass ich anders sein sollte, eine Kopie ihrer selbst.« Schließlich findet die Person vielleicht einen Freund, der ihn oder sie akzeptiert – ein Freund, der nicht ständig versucht, diese Person zu verändern und der ehrlich einige der Merkmale des Asperger-Syndroms bewundert.
Akzeptanz kann allerdings auch aus einer anderen Quelle der »Freundschaft« gewonnen werden: von Tieren.
Tiere als Freunde
Tiere akzeptieren einen Menschen bedingungslos. Der Hund freut sich immer, wenn er dich sieht. Das Pferd scheint dich zu verstehen und möchte dein Gefährte sein. Die Katze springt dir auf den Schoß und schnurrt in deiner Gegenwart. Ich habe einmal vorgeschlagen, Katzen alseine Art autistische Hunde zu begreifen, sodass es vielleicht eine natürliche Affinität zwischen Katzen und Menschen mit Autismus und Asperger-Syndrom gibt. Ronald, ein reifer Erwachsener mit Asperger-Syndrom, schrieb mir in einer E-Mail: »Ich fange erst an zu leben und fühle mich erst dann richtig natürlich, wenn ich allein mit meinen Katzen bin.« Somit können Haustiere, und Tiere überhaupt, ein effektiver und erfolgreicher Ersatz für menschliche Freunde sein. Sie werden
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