Ein ganzes Leben mit dem Asperger-Syndrom
können sie zu bemerkenswerten Erfolgen führen. Auch wenn wir bislang keine Langzeitdaten haben, um den Fortschritt im sozialen Verständnis und den Beziehungen zu Gleichartigen zu beweisen, belegt doch die klinische Erfahrung die Vorteile von Maßnahmen zur Förderung des sozialen Verständnisses für einzelne Kinder. Wenn jemand erst als Jugendlicher oder Erwachsener eine Diagnose erhält, dann hat diese Person die Gelegenheit zur frühen Intervention verpasst und als Erwachsener hat er weniger leichten Zugang zu entsprechenden Programmen.
Eine Möglichkeit für diese Erwachsenen ist es, nicht nach solchen schwer erreichbaren Programmen Ausschau zu halten, die vielleicht Jahrzehnte in Anspruch nehmen, ehe mit ihnen ein Fortschritt erzielt werden kann, sondern einfach einen Weg zu finden, der erklärt, warum ein Merkmal des Asperger-Syndroms für Freunde, Kollegen und Bekannte so verwirrend ist.
So kann es sein, dass eine Person mit Asperger-Syndrom eine andere Person nicht so intensiv anschaut, wie man es in einem Gespräch erwartet, besonders, wenn sie eine Frage beantwortet. Statt sich einer Maßnahme zu unterziehen, bei der diese Person lernt, wann sie jemanden anschauen und wie sie Gesichtsausdrücke interpretieren soll, empfehle ich eher, dass der Grund dafür, dass man Augenkontakt vermeidet, erklärt wird. Etwa so: »Ich schaue weg, damit ich mich besser darauf konzentrieren kann, wie ich deine Frage beantworte. Das ist keine böse Absicht, Unehrlichkeit oder fehlender Respekt.«
Wenn die Person über ein Spezialinteresse redet, das von anderen schnell als langweilig empfunden werden kann, dann kann sie dem Gegenüber vor Beginn des Monologs warnend mitteilen: »Manchmal rede ich zu viel über meine Interessen. Falls ich Sie langweile, sagen Sie mir einfach, dass ich aufhören soll. Ich möchte nicht, dass Sie denken, dass ich unhöflich sein will.«
Damit schafft die Person eine Art gesprochener Social Story für normale Menschen, um ihnen ein Verhalten zu erklären, das in ihren Augen leicht exzentrisch und unhöflich erscheinen kann.
Wenn einem normalen Menschen eine knappe und genaue Erklärung gegeben wird, wird er weniger verwirrt durch die Merkmale des Asperger-Syndroms sein und ihnen mehr Toleranz entgegenbringen. Möglicherweise benötigt die Person mit Asperger-Syndrom etwas Hilfestellung dabei, wie die Erklärung genau aussehensoll. Ich habe allerdings auch bemerkt, dass oft die Eltern oder der Partner eines Erwachsenen mit Asperger-Syndrom anderen Leuten solche Erklärungen über Jahre geboten haben.
Größere Toleranz in anderen Kulturkreisen
Ich gebe häufig Beschreibungen des Asperger-Syndroms in vielen Ländern dieser Erde. Wenn ich mich in einem Land mit einer Kultur befinde, die sich sehr von der meines Heimatlandes unterscheidet, bin ich immer wieder überrascht, wie viele Menschen mit Asperger-Syndrom aus englischsprachigen Ländern sich im Publikum befinden. Als ich das letzte Mal in Japan war, habe ich Richard getroffen, einen liebenswerten Herrn, der einige Jahre in Fernost lebte. Richard erklärte mir, dass, wenn er in Japan einen sozialen Fehler begehe, sein Verhalten durch die kulturellen Unterschiede entschuldigt und nicht als bewusster Versuch gewertet werde, andere zu beleidigen oder zu verwirren. Die Japaner sind erstaunlich tolerant in Bezug auf seine Ungeschicklichkeit, besonders, da er sehr gerne japanisch lernt und die dortige Kultur bewundert.
Stephen Shore erklärte mir in einer E-Mail: »Einige Menschen (auch ich selbst), die das Asperger-Syndrom haben, besuchen gerne fremde Länder oder leben sogar dort. Ihre Unterschiede und ihre »soziale Blindheit« werden dann der Tatsache zugeschrieben, dass sie aus einem fremden Land stammen und man trifft seltener auf die fälschliche Ansicht, man würde das aus böser Absicht tun«.
Die Person mit Asperger-Syndrom kann auch Freundschaften mit solchen Menschen schließen, die in seinem Heimatland zu Besuch sind. Solche Besucher stehen manchmal vor denselben Herausforderungen bei der Integration in eine neue Kultur wie der »einheimische« Mensch mit Asperger-Syndrom.
Freundschaften mit Kollegen
Der Versuch, eine Arbeitsbeziehung zu einem Kollegen in eine Freundschaft umzuwandeln, kann für den jungen Erwachsenen mit Asperger-Syndrom eine große Herausforderung bedeuten. Ein Mentor am Arbeitsplatz, der seine ungewöhnliche Persönlichkeit und seine Schwierigkeiten mit Fähigkeiten in Bezug auf Freundschaften versteht, kann
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