Ein Garten im Winter
haben dich für die Titelseite vorgesehen.«
Die Titelseite . Ihre zwei Lieblingswörter. Was für manche Frauen Diamanten waren, war für sie die Titelseite des Time-Magazine . Oder der National Geographic. Da war sie nicht wählerisch. Eigentlich hoffte sie sogar, eines Tages die Titelseite und etwa fünfzehn, sechzehn Seiten für ihre Fotoreportage Kriegerinnen der Welt zu bekommen. Ihr Lieblingsprojekt. Sobald sie damit fertig wäre – und nur Gott wusste, wann das sein würde –, würde sie freiberuflich arbeiten. »Geht in Ordnung. Und dann treffe ich mich mit Danny in Namibia.«
»Du Glückspilz. Vergnüg dich für mich mit. Aber nächsten Freitag musst du zurück an die Arbeit. In Sierra Leone eskaliert schon wieder die Gewalt. Die Friedensgespräche werden scheitern. Ich möchte dich vor Weihnachten dort haben.«
»Du kennst mich doch«, erwiderte Nina. »Allzeit bereit zum Abflug.«
»Ich ruf dich erst an, wenn ein neuer Krieg ausbricht. Versprochen«, verkündete Sylvie. »Und jetzt lass dich flachlegen, während ich mich zu erinnern versuche, wie sich das anfühlt.«
Ein paar Tage später war Nina in Namibia und saß mit Danny am Steuer in einem gemieteten Landrover.
Es war erst sieben Uhr morgens und doch schien die Dezembersonne hell und warm. Gegen Mittag würde die Temperatur bis auf 45 °C gestiegen sein, möglicherweise noch höher. Die Straße – wenn man sie denn so bezeichnen wollte – war eigentlich ein ausgetrocknetes Flussbett mit matschigem, rötlich grauem Sand, in dem die Reifen einsanken, so dass der Wagen hin und her schlitterte. Nina hielt sich mit einer Hand an der Wagentür fest und versuchte, mit den Bewegungen mitzugehen und sich gleichzeitig aufrecht zu halten, um die Stöße abzufangen.
Mit der anderen Hand stützte sie den Fotoapparat, der um ihren Hals hing, damit der Riemen nicht ins Fleisch schnitt. Sie hatte Kamera und Objektiv in ein T-Shirt gewickelt – kein besonders professioneller Staubschutz, aber während all ihrer Jahre in Afrika hatte sich dies als bester Kompromiss zwischen Schutz und Funktionalität erwiesen. Hier hatte man manchmal nur eine Sekunde, um sich die Kamera zu schnappen und ein Foto zu schießen. Da blieb keine Zeit, um mit Riemen und Gehäusen herumzufummeln.
Sie starrte auf die ausgetrocknete Kraterlandschaft. Während die Stunden verstrichen, sie sich immer weiter von jeglicher Zivilisation entfernten und immer tiefer in eins der letzten Fleckchen Wildnis des südlichen Afrika eindrangen, bemerkte sie zunehmend Herden verdurstender Tiere, die die ausgetrockneten Flussbetten belagerten. In der drückenden Hitze des afrikanischen Sommers gingen sie in die Knie und verendeten dort, wo sie auf Regen warteten. Überall sah man ausgeblichene Knochen.
»Bist du sicher, dass du die Himba suchen willst?«, fragte Danny, als sie zur Seite schlitterten und fast im Sand stecken blieben. Der Staub auf seinem Gesicht ließ das Weiß seiner Zähne und das Blau seiner Augen überraschend effektvoll leuchten. Auch sein schwarzes Haar, das ihm bis zum Kragen reichte, und sein Hemd waren staubbedeckt. »In den letzten Monaten hatten wir nicht mal eine Woche für uns.«
Die sogenannte Straße wurde wieder passierbarer, so dass Nina ihre Kamera nehmen und ihn durch den Sucher betrachten konnte. Sie stellte den Fokus ein, vergrößerte das Bild ein wenig und sah ihn plötzlich so klar, als wäre er ein Fremder: ein gutaussehender, neununddreißigjähriger Ire mit ausgeprägten Wangenknochen und einer Nase, die schon mehr als einmal gebrochen worden war. Kneipenschlägereien in meiner Jugend , sagte er immer, und jetzt, während er geradeaus blickte und sich auf die Straße vor ihm konzentrierte, sah sie die winzigen Fältchen an seinem Mund. Er machte sich Sorgen, dass sie schlecht beraten worden und auf der falschen Straße gelandet waren, hatte aber kein Wort darüber verloren. Er war Kriegskorrespondent und es damit gewohnt, »in der Scheiße zu stecken«, wie er es ausdrückte: bereit, einer Story bis durch die Hölle und wieder zurück zu folgen. Selbst wenn es nicht seine Story war.
Sie machte die Aufnahme.
Er warf ihr ein Lächeln zu, und sie drückte erneut ab. »Ich schlage vor, wenn du das nächste Mal Frauen fotografieren willst, nehmen wir Kellnerinnen an der Poolbar.«
Sie lachte, legte die Kamera in ihren Schoß und drückte den Deckel aufs Objektiv. »Ich schulde dir was.«
»Allerdings, Liebste, und zwar einiges, also halte dich
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