Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Garten im Winter

Ein Garten im Winter

Titel: Ein Garten im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
Vom Netzwerk:
Nacht«, meinte Meredith und griff nach Ninas Kakao.
    »Woher weißt du das?«
    »Ich kann in letzter Zeit schlecht schlafen. Eine der vielen Nebenwirkungen einer zerbrechenden Ehe. Ich bin ständig müde, kann aber trotzdem nicht schlafen. Und warum hast du dich im Bett herumgewälzt?«
    »Wir sind nur noch drei Tage von Juneau entfernt.«
    »Und?«
    »Ich hab ihn gefunden.«
    Meredith drehte sich zu ihr. Die Decke entglitt Ninas Fingern und fiel zu Boden. »Was soll das heißen?«
    »Den Professor für Russische Studien. Dr. Adamowitsch. Er ist in einem Pflegeheim in Juneau. Meine Verlegerin hat ihn für mich aufgespürt.«
    »Deshalb also machen wir diese Kreuzfahrt. Das hätte ich mir denken können. Hast du mit ihm gesprochen?«
    »Nein.«
    Meredith biss sich auf die Unterlippe und blickte aufs Wasser. »Was machen wir denn? Können wir einfach so bei ihm reinschneien?«
    »So gründlich hab ich noch nicht darüber nachgedacht. Ich weiß, ich weiß. Typisch für mich. Aber als ich ihn fand, war ich so aufgeregt, weil er uns bestimmt etwas sagen kann.«
    »Er hat aber ihr geschrieben. Nicht uns. Wir können ihr doch nicht davon erzählen. Sie ist … zerbrechlich, Neens. Dad hatte vollkommen recht.«
    »Ich weiß. Deshalb konnte ich ja auch nicht schlafen. Wir können ihr nicht erzählen, dass wir Nachforschungen über sie angestellt haben. Wir können aber auch nicht einfach im Pflegeheim des Professors auftauchen, ganz zu schweigen davon, uns einfach allein davonzuschleichen – nach meiner großartigen Ankündigung, wir würden zusammen sein. Und selbst wenn wir uns wegschlichen, würde er vielleicht doch nicht mit uns sprechen. Schließlich wollte er sie sehen.«
    »Ich verstehe, warum einem das den Schlaf rauben kann. Vor allem dir.«
    »Wieso: vor allem mir?«
    »Weil du ihn unbedingt sehen willst, Neens. Wegen deiner unbezwingbaren Neugier.«
    »Ich weiß. Was machen wir also?«
    »Wir besuchen den Professor.«
    Nina hielt erschrocken die Luft an, als sie die Stimme ihrer Mutter hörte. Vor lauter Verblüffung drehte sie sich so schnell um, dass sie ihre Tasse von der Reling fegte.
    »Mom«, stammelte Meredith.
    »Hast du etwa alles mitgehört?«, fragte Nina und leckte sich den Kakao von den Fingern. Sie wusste, dass sie gelassen wirkte – dies war eines der vielen Dinge, die ihr Beruf sie gelehrt hatte: Wie man gelassen wirkte, während man innerlich vor Aufregung zitterte. Aber ihre Stimme verriet sie. In letzter Zeit war es mit ihrer Mom so gut gelaufen, das wollte sie nicht gefährden.
    »Jedenfalls genug«, erklärte die Mutter. »Es geht um den Professor aus Alaska, stimmt’s? Um den, der mir vor Jahren geschrieben hat?«
    Nina nickte. Sie nahm die Decke von ihren und Merediths Schultern, ging damit zur Mutter und packte sie warm ein. »Ich war’s, Mom. Meredith hatte damit nichts zu tun.«
    Sie hielt die Decke vor ihrer Brust fest. Ihre Finger leuchteten weiß vor dem Rot der Wolle. Sie warf einen Blick auf den Deckchair neben sich, setzte sich und drapierte sorgfältig die Decke um sich herum.
    Nina und Meredith nahmen rechts und links von ihr Platz und packten sich ebenfalls warm ein. Ein Steward kam vorbei und bot ihnen heißen Kakao an.
    »Tut mir leid, Mom«, entschuldigte sich Nina. »Ich hätte es dir von Anfang an sagen sollen.«
    »Du hast gedacht, dann würde ich nicht mitfahren.«
    »Genau«, erwiderte Nina. »Ich will dich einfach besser kennenlernen. Und das nicht nur, weil ich es Dad versprochen habe.«
    »Du möchtest Antworten.«
    »Das ist doch natürlich. Ich – ich meine wir «, verbesserte sie sich, um Meredith nicht auszuschließen, »wollen Antworten, weil du ein Teil von uns bist und wir dich nicht kennen. Vielleicht ist das der Grund, warum wir selbst uns nicht kennen. Meredith weiß nicht, ob sie ihren Mann liebt und was sie sich vom Leben erträumt. Und ich kann die ganze Zeit nur an Vera denken, obwohl in Atlanta ein Mann auf mich wartet.«
    Die Mutter lehnte sich im Liegestuhl zurück. »Dann ist es wohl Zeit«, sagte sie leise. »Ich glaube, euer Vater hat mit Professor Adamowitsch gesprochen, aber ich nie. Er war der Meinung, wir müssten mit ihm reden – nein: ich. Wahrscheinlich hat er deshalb die ganze Zeit den Brief aufbewahrt.«
    »Worüber wollte der Professor denn mit dir sprechen?« Meredith fragte das, und ihre Stimme war zwar leise, aber ihr Blick durchdringend.
    »Über Leningrad«, antwortete die Mutter. »Jahrelang hat die Regierung alles

Weitere Kostenlose Bücher