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Ein Garten im Winter

Ein Garten im Winter

Titel: Ein Garten im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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Motor.
    In nicht mal zwei Minuten war sie zu Hause.
    Die Hunde begrüßten sie überschwänglich, und sie kniete sich hin, um sie zu streicheln und sich von ihrer Begeisterung über ihre Rückkehr trösten zu lassen.
    »Jeff?«, rief sie. Als sie keine Antwort bekam, zog sie ihren Mantel aus und schenkte sich ein Glas Wein ein. Im Wohnzimmer machte sie den Gaskamin an und setzte sich auf die Marmorplatte davor, um sich von der echten Hitze eines künstlichen Feuers den Rücken wärmen zu lassen.
    Jahrelang hatte sie versucht, ihre Mutter so bedingungslos zu lieben wie ihren Vater. Das Bedürfnis zu lieben – und geliebt zu werden – war der Eckpfeiler ihrer Kindheit gewesen und hatte für ihre erste große Enttäuschung gesorgt.
    Nichts, was sie tat, hatte die Billigung ihrer Mutter gefunden, und diese konstante Enttäuschung hatte bei dem Mädchen, das verzweifelt gefallen wollte, Narben hinterlassen. Die schlimmste – abgesehen vom Abend der Theateraufführung – war ihr an einem sonnigen Frühlingstag zugefügt worden.
    Meredith wusste nicht mehr, wie alt sie gewesen war. Da Nina mit ihrem Schwimmunterricht angefangen hatte, war sie wohl zehn gewesen. Ihr Vater war mit ihrer Schwester ins Schwimmbad gegangen, und Meredith blieb mit ihrer Mutter allein in dem großen, verwinkelten Haus zurück. Nach dem Mittagessen hatte sie sich mit Gartenwerkzeug und einem Tütchen Samen in der Tasche davongeschlichen. Im Wintergarten hatte sie, summend vor Aufregung, die alte grün angelaufene Kupfersäule verschoben und das alles überwuchernde Efeu herausgerupft, das den Garten so unordentlich wirken ließ. Dann hatte sie die schlammige Erde mit ihrer Kelle bearbeitet und die Blumensamen in ordentlichen Reihen gesät. Sie sah schon vor sich, wie sie wachsen und blühen und dem grünweißen Durcheinander dieses sogenannten Gartens Farbe und Ordnung verleihen würden.
    Sie war sehr zufrieden mit sich, dass sie die Idee gehabt und direkt in die Tat umgesetzt hatte. Während sie den Boden bearbeitete, die Samen sortierte und sorgfältig in die Erde legte, stellte sie sich vor, wie ihre Mutter herauskäme, ihr Geschenk sähe und sie – endlich – umarmen würde.
    So versunken war sie in ihren Tagtraum, dass sie weder die Tür noch die Schritte auf dem gepflasterten Weg hörte. Sie merkte erst, dass sie nicht mehr allein war, als ihre Mutter sie so heftig hochriss, dass Meredith das Gleichgewicht verlor und zur Seite stürzte.
    Was hast du mit meinem Garten gemacht?
    Ich wollte ihn schön für dich machen. Ich -
    Niemals würde Meredith den Gesichtsausdruck ihrer Mutter vergessen, als sie sie durch den Garten und über die Terrasse zerrte. Den ganzen Weg ins Haus weinte Meredith und entschuldigte sich. Immer wieder fragte sie, was sie denn falsch gemacht hätte, aber ihre Mutter antwortete nicht, sondern stieß sie nur ins Haus und zog die Tür knallend hinter sich zu.
    Danach stand Meredith weinend am Esszimmerfenster und sah zu, wie ihre Mutter den Boden attackierte und die Samen wegschmiss, als enthielten sie Gift. Wie eine Wahnsinnige in einem Anfall brachte sie das ganze Efeu zurück, barg es mit einer Liebe in ihren Händen, die sie gegenüber ihren Kindern niemals gezeigt hatte, und nachdem alles wieder eingepflanzt war, hievte sie die Säule an ihren Platz. Nachdem der Wintergarten wiederhergestellt war, sank sie vor der Säule auf die Knie und verharrte dort den ganzen Nachmittag mit gesenktem Kopf, wie ins Gebet versunken. Als es dunkel wurde und anfing zu regnen, kniete sie immer noch da.
    Schließlich kam sie ins Haus zurück, mit schmutzigen, blutenden Fingern und nassem, lehmverschmiertem Gesicht. Sie würdigte Meredith keines Blickes, sondern ging nur die Treppe hinauf und schloss die Tür zum Schlafzimmer hinter sich.
    Sie sprachen nie wieder über diesen Tag. Und als ihr Dad abends nach Hause kam, warf Meredith sich in seine Arme und weinte, bis er fragte: Was hast du denn, Meredoodle?
    Wenn sie etwas gesagt hätte, wenn sie ihm die Wahrheit erzählt hätte, hätte sich vielleicht etwas verändert. Vielleicht hätte sie sich verändert. Aber sie konnte es nicht. Ich hab dich lieb, Dad , sagte sie nur, und sein dröhnendes Lachen hatte sie wieder einmal getröstet.
    Und ich hab dich lieb , hatte er gesagt. Sie wünschte, das wäre genug, sie betete darum, aber es war nicht genug, und sie spürte, wie ihre Enttäuschung wuchs und übermächtig wurde, bis sie nichts anderes mehr tun konnte, als ihre Mutter

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