Ein Garten im Winter
nicht mehr zu lieben.
Jetzt schloss sie die Augen und wiegte sich hin und her. Nina hatte unrecht. Dad würde es verstehen …
Ein dumpfer Schlag riss sie aus ihrer Versunkenheit, und sie blickte auf, weil sie Luke oder Leia zu sehen erwartete, die mit wedelndem Schwanz ein klein wenig Aufmerksamkeit erbettelten.
Stattdesssen stand Jeff auf der Türschwelle, immer noch in der verblichenen Jeans und dem blauen Pullover vom Vortag.
»Oh, du bist zu Hause.«
»Ich gehe«, sagte er leise.
Sie wusste nicht, ob sie erleichtert oder enttäuscht sein sollte, dass sie den Abend nicht miteinander verbringen würden. »Soll ich dir was vom Essen aufheben?«
Er holte tief Luft. »Ich gehe.«
»Das habe ich gehört. Ich will –« Plötzlich begriff sie, und sie sah ihn an. »Du gehst? Du verlässt mich? Wegen gestern Abend? Dafür entschuldige ich mich. Im Ernst, ich hätte nicht –«
»Wir brauchen Zeit für uns allein, Mere.«
»Tu das nicht«, flüsterte sie und schüttelte den Kopf. »Nicht jetzt.«
»Einen geeigneten Zeitpunkt gibt es nie. Erst habe ich wegen deines Vaters gewartet, dann wegen deiner Mutter. Ich hab mir immer wieder gesagt, dass du mich noch liebst, dass du einfach nur überlastet bist und zu viel um die Ohren hast … aber ich glaube es nicht mehr. Du hast eine Mauer um dich herum errichtet, Mere, und ich will sie nicht mehr erstürmen.«
»Es wird bald besser. Im Juni –«
»Ich warte nicht mehr. In ein paar Wochen kommen schon die Mädchen nach Hause. Lass uns die Zeit nutzen, um herauszufinden, was wir wirklich wollen.«
Sie hatte das Gefühl zusammenzubrechen, aber allein die Vorstellung jagte ihr Todesangst ein. Schon seit Monaten hielt sie ihre Gefühle unter Verschluss, und Gott allein wusste, was geschähe, wenn sie sie herausließe. Wenn sie sich erlaubte zu weinen, würde sie vielleicht schreien wie eine Geistfrau und versteinern, wie jemand aus Moms Märchen. Also riss sie sich zusammen, nickte und sagte so beherrscht wie möglich: »Ist gut.«
Sie sah die Enttäuschung und Resignation in seinem Blick. Diese Reaktion habe ich von dir erwartet , verriet sein Blick. Ihr zerriss es das Herz, ihn einfach gehen zu lassen, aber sie wusste nicht, wie sie ihn aufhalten, was sie sagen sollte, daher stand sie auf, ging an ihm und dem Koffer an der Haustür vorbei (das war der dumpfe Schlag gewesen) und flüchtete sich in die Küche.
Als sie an der Spüle stand und ins Leere starrte, setzte ihr Herz tatsächlich ein paar Schläge aus. Sie bekam kaum Luft. In all den Jahren ihrer Ehe war ihr nie in den Sinn gekommen, Jeff könnte sie jemals verlassen. Nicht mal am Abend zuvor, als er auf dem Sofa geschlafen hatte. Sie hatte gewusst, dass er nicht glücklich war – sie war’s ja auch nicht –, doch sie hatte es für eine schlechte Phase gehalten, die nicht so viel mit ihr zu tun hatte.
Aber das jetzt …
Er trat zu ihr. »Liebst du mich noch, Mere?«, fragte er leise, fasste sie an den Schultern und drehte sie zu sich um, damit sie einander ansehen konnten.
Wenn er sie das doch nur vor einer Stunde gefragt hätte, oder gestern oder letzte Woche. Nur jetzt nicht, da sich jede Sekunde der Boden unter ihr auftun konnte. Sie hatte seine Liebe immer als Schutzwall betrachtet, die jedem Sturm trotzen konnte, aber wie alles andere in ihrem Leben war auch seine Liebe an Bedingungen gebunden. Plötzlich war sie wieder die Zehnjährige, die aus dem Garten gezerrt wurde und nicht wusste, was sie falsch gemacht hatte.
Er ließ sie los und ging zur Tür.
Fast hätte Meredith ihm nachgerufen, ihm gesagt: Natürlich liebe ich dich. Liebst du denn mich? , aber sie brachte keinen Ton heraus. Sie wusste, sie konnte ihm den Koffer entreißen oder sich an ihn klammern. Irgendetwas tun. Aber sie stand nur da, ohne zu weinen, ohne zu verstehen, und starrte auf seinen Rücken.
Zuletzt wandte er sich noch mal nach ihr um. »Du bist genau wie sie, weißt du das?«
»Sag das nicht.«
Er sah sie noch eine Weile an, und Meredith wusste, es war eine Chance, sich ihm zu öffnen, aber sie konnte sich nicht dazu durchringen. Sie konnte sich nicht rühren, nicht die Arme nach ihm ausstrecken, nicht mal weinen.
»Leb wohl, Mere«, sagte er schließlich.
Noch lange, nachdem er weg war, stand sie da, an der Spüle, und starrte hinaus in den dunklen, leeren Garten.
Du bist genau wie sie , hatte er gesagt.
Das tat ihr mehr weh als alles andere – wie er wohl gewusst hatte.
»Er kommt schon wieder«,
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