Ein Garten mit Elbblick (German Edition)
habe ich sie auf dem Dachboden vermutet.»
«Nee.» Birkheim schüttelte den Kopf und klappte den Deckel hoch. «Die war immer in deinem Zimmer. Er hat gesagt, ich soll alle Tiere ausbessern und wieder glatt und sauber schmirgeln. Er wollte sie bei seinem nächsten Besuch mit zu dir nehmen, weil da vielleicht bald ein anderes kleines Mädchen was zum Spielen braucht. Guck mal», er nahm einen daumengroßen Elefanten aus der Kiste und strich über den winzigen Kopf, «der Rüssel war abgebrochen, jetzt ist er wieder wie neu. Und dem Ochsen hier hat der ganze Kopf gefehlt. Und da, bei dem Gänserich und dem Nashorn – na, eben noch ein paar Kleinigkeiten. War gar nicht viel zu ersetzen.»
Als alle Tiere der hölzernen Menagerie bewundert waren und die ganze kleine Herde auf dem Küchentisch stand, klopfte Frau Birkheim in Sorge um ihren Mann an die Küchentür. So gab es nach einigem Hin und Her ein gemeinsames kaltes Abendbrot am großen Küchentisch, Husumer Käse und Altländer Schinken, Eier mit Remoulade, Hasenpastete mit Preiselbeerenmus, Butter und Roggenbrot. Dazu frisches Bier von der nahen Brauerei und Wein.
Frau Lindner begnügte sich mit einem Glas Wasser. Sie hatte dem Wunsch der neuen Herrin des Hauses nach diesem seltsamen Abendessen nicht widersprochen, aber es widerstrebte ihr, mit der Herrschaft an einem Tisch zu sitzen, auch wenn es ihr noch schwerfiel, dieses junge Ding als Herrschaft zu sehen. Sie würde es auch nicht lange bleiben. Herrschaft und eine leere Börse, ohne Kredit bei der Bank – das vertrug sich nicht. Falls am Tisch jemandem auffiel, wie schweigsam Alma Lindner war, blieb es unerwähnt, im Übrigen war auch Frau Birkheim wortkarg, was bei ihr jedoch nichts Besonderes war. Ihr Ehemann glich das mit seinem beständig plätschernden Redefluss leicht aus.
Henrietta hatte gehofft, mehr über das Bilderzimmer zu erfahren. Wenn die Grootmanns nichts davon gewusst hatten, war sicher Helmer Birkheim der Mann, mit dem ihr Vater darüber gesprochen, sich vielleicht auch beraten hatte. Aber Birkheim winkte gleich ab, als Hetty danach fragte.
«Ach ja, diese Bilder», sagte er und lächelte verschmitzt in seinen weißen Bart. «Da kann ich dir nicht weiterhelfen. Es nützt nichts, wenn ich sie mir noch mal ansehe. Ich weiß, dass er sie gekauft hat, in den letzten anderthalb Jahren, oder? Frau Lindner? Was meinen Sie? Sie haben die Klecksereien doch an der Tür in Empfang genommen.»
«Die meisten, ja. Manche hat Herr Mommsen auch selbst mitgebracht und direkt in das Zimmer getragen. Er war dann immer äußerst gut gestimmt. Ich glaube … Pardon, aber Vermutungen stehen mir nicht zu.»
«Unsinn, Frau Lindner.» Birkheim war schon von einem Glas Bier beschwingt, allerdings war es ein beachtliches Glas, beinahe so groß wie in Bayern üblich. «Sagen Sie seiner Tochter doch, was Sie wissen. Sie haben ihm das Haus geführt, Ihnen steht eine ganze Menge zu.»
Tiefe Röte überzog Frau Lindners Gesicht, ein brennender Blick traf den alten Mann. «Wenn Sie irgendwelche Unregelmäßigkeiten andeuten wollen, unangemessene Vertraulichkeiten …»
Mit überraschender Unbeherrschtheit schob sie ihren Stuhl zurück, war mit nur einem großen Schritt an ihrem Arbeitstisch, und Hetty und die Birkheims, alle drei immer noch verblüfft, erlebten, wie sie mit unglaublicher Akkuratesse und Geschwindigkeit den Kohlkopf in dünne Streifen hackte.
«Um Gottes willen, Lindnerin», rief Herr Birkheim endlich, «ich meine doch nur, dass Sie ihm so gut zu Diensten waren. Im Haus, nur im Haus.»
«Mein Mann will sagen», ergänzte seine Frau spröde, «Sie haben immer vorbildlich Ihre Pflicht erfüllt, und darum wissen Sie auch, was ins Haus geliefert wird. Und von wem.»
«Genau», murmelte Birkheim, immer noch erschreckt über das Missverständnis und die ungewohnt heftige Reaktion der Hausdame, die er bis dahin nur als kühl und unberührbar erlebt hatte. «Genau so.»
Frau Lindner ließ das Messer los, als sei es etwas Fremdes, stützte beide Hände auf die Tischplatte und schloss für einen Moment die Augen. «Natürlich», sagte sie dann, ihre Stimme bebte nur leicht, «natürlich haben Sie nur das gemeint. Ich muss mich entschuldigen. In diesem Beruf wird einem manches unterstellt. Manches Üble. Das ist mir – nun, ich denke, ich bin in dieser Hinsicht ein wenig zu misstrauisch. Ja, zu empfindlich. Ich wäre dankbar, wenn Sie es vergessen könnten. Es wird nicht wieder vorkommen.»
Die Bilder,
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