Ein Garten mit Elbblick (German Edition)
verbraucht, mit den Resten gehe ich sparsam um. Sophus war ein Mann von Geist und Witz. Ein bisschen weltfremd, aber von großer Treue. Deine Mutter war sehr glücklich mit ihm. Es war ein schrecklicher Schicksalsschlag, als sie euch so früh verlassen musste, und es war nicht seine Schuld. Deine schon gar nicht, falls du auf diese absurde Idee gekommen sein solltest. Ständig denken Frauen, sie seien an diesem oder jenem und überhaupt an allem schuld, das ist pure Selbstüberschätzung.»
Hetty hätte gerne etwas gesagt, ihr fiel nichts ein. Wilhelmine Grootmanns Worte schwirrten in ihrem Kopf und lähmten ihr Denken. Also murmelte sie nur «Danke», rührte in ihrem Kaffee und bemühte sich, ein neutrales Gesicht aufzusetzen und ihr heftiger klopfendes Herz zu ignorieren. Sie wäre gerne aufgestanden und gegangen.
Die Reise von Nizza an die Elbe sei lang, fuhr Wilhelmine fort, man habe viel Zeit nachzudenken. An dieser Stelle kam vom Kanapee ein Räuspern im Duett, das sie überhörte.
«Ja, nachzudenken. Und ich habe beschlossen, dir zu sagen, was ich gehört habe, aus so diskretem wie verlässlichem Mund, sonst hätte ich es gleich vergessen. Jeder weiß es, und du wirst es auch wissen, meine Ehe war kein Musterbeispiel. Mein Gatte war nur wenig an mir interessiert.»
« Bitte! Grand-mère, ich denke, du solltest Hetty nicht mit diesen Geschichten bekümmern», kam Felix’ Stimme vom Kanapee. «Gerade jetzt hat sie eine eigene große Last zu tragen.»
«Spricht da jemand, der gar nicht hier ist? Der Jemand hat nicht ganz unrecht. Meines Gatten, Gott hab ihn selig, muss hier nur gedacht werden – hübsch ausgedrückt, nicht wahr? –, weil ich aus dem Leben mit ihm und besonders ohne ihn gelernt habe. Deshalb nehme ich mir die Freiheit, zu sagen, was ich weiß und denke. Meine liebe Henrietta, sei nun stark. Dein Ehemann, Thomas Winfield, ist nicht so zuverlässig, wie es scheint und wie Sophus annehmen musste, wenn er deiner Ehe zugestimmt hat.»
«Grand-mère, bitte …»
«Sei still, Felix. Oder geh in den Garten spielen. Da stehen sicher noch die Krocketschläger und die Scheibe für euer geliebtes Bogenschießen.»
Felix holte tief Luft und erhob sich energisch, doch Hetty hob abwehrend die Hand.
«Danke, Felix, ich möchte es hören. Jetzt gleich. Bitte, Frau Grootmann, was spricht man über Thomas?» Hetty war blass, ihr Herz klopfte heftig. «Und wo – in Nizza?»
«In Nizza. Ich will nicht um den heißen Brei herumreden. Dein lieber Mann ist ein wenig leichtfertig, lass es uns so nennen. Zwei meiner guten englischen Freunde an der Côte d’Azur haben in London ungemein nachteilige Geschäfte gemacht. Ich kann es jetzt nicht en détail erläutern, aber es ging um Schürfrechte in der Kapprovinz, Gold und Diamanten. Oder ging es auch um Opale? Sehr hübsche Steine, obwohl sie ein bisschen nach Talmi aussehen. Natürlich ist es immer dumm, Geld in so unsichere Abenteuer am anderen Ende der Welt zu investieren, insbesondere in diesen wilden Gegenden kurz vor dem Südpol. Ich würde das niemals tun. Einerlei. Es war in diesem Fall eindeutig nicht nur ein risikoreiches, sondern ein windiges Geschäft, wie sich schließlich herausstellte. Meine Freunde haben viel Geld verloren. Es bringt sie nicht an den Bettelstab, beide sind fast so reich wie die Vanderbilts, obwohl die Geschäfte in England wirklich immer schlechter gehen. Ich hätte das für mich behalten, Henrietta, wäre deine Situation eine andere. Du wirst mich dafür nicht mögen, aber es muss gesagt werden. Als Warnung, womöglich resultieren daraus peinliche Unannehmlichkeiten. Dein Thomas mag ein liebender Gatte sein, nur in Geldsachen solltest du ihm nicht trauen. Wenn du nun Sophus beerbst, musst du verhindern, dass er dieses Erbe in die Finger bekommt. Es könnte sonst leicht sein, dass er nicht nur sich, sondern auch dich ruiniert. Siehst du, ich wusste, du würdest weinen – Huchelbeckchen, hörst du nicht zu? Bring endlich ein größeres Taschentuch –, weine ruhig, Henrietta, obwohl ich finde, du solltest dringend lernen, dass ein Mann ein wunderbarer Liebhaber sein kann, sogar ein solcher Gatte, und trotzdem in Geschäften ein Schuft.»
Für einen Moment war es sehr still. Selbst Wilhelmine erschrak ein kleines bisschen vor dem Nachklang des Wortes Schuft. Vielleicht war sie von der Reise doch erschöpfter, als sie sich zugestand.
Dann putzte Henrietta sich vernehmlich die Nase, tupfte über die Augen, was wenig nützte,
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