Ein Garten mit Elbblick (German Edition)
fuhr sie rasch fort, als sei nichts vorgefallen, seien fast alle mit Boten aus der Stadt gekommen, zwei, vielleicht drei, das wisse sie wirklich nicht, mit Boten vom Hannoverschen Bahnhof. Auf die Absender habe sie nie geachtet.
«Ein Rembrandt ist jedenfalls nicht dabei», wagte sich Helmer Birkheim wieder vor, «es sei denn, versteckt unter diesen quirligen Farben.» Der Gedanke amüsierte ihn. «Sonst hätte ich es gemerkt. Er hat mir die Bildchen immer mal gezeigt, viele sind doch hübsch, wenn man genau hinsieht, und man meint, manche Straße direkt wiederzuerkennen. Aber von Malerei versteh ich nichts, ich kann nur ein bisschen schnitzen und Skulpturen machen.»
Hetty nickte, sie wusste schon, wen sie einladen und fragen wollte. «Dabei fällt mir ein – habe ich schon erzählt, dass ich mich für einen Kurs in der Damenmalschule Röver angemeldet habe? Ein oder zwei dieser Maler arbeiten dort als Lehrer, so habe ich jedenfalls gehört. Bald kenne ich mich womöglich selbst aus.»
Sie blickte erwartungsvoll in die Runde, sah auf drei Gesichtern etwas, das man mit viel gutem Willen als höfliches, bei Birkheim mehr, bei Frau Lindner weniger zustimmendes Interesse interpretieren konnte, und nahm sicherheitshalber einen großen Schluck Wein. Dann beschloss sie für sich, sie werde sich sehr schnell daran gewöhnen, Dinge zu unternehmen, die niemand als sie selbst für richtig, angemessen, passend, gut oder weiß der Himmel wie fand.
Die Tafel am Küchentisch wurde aufgehoben, die Birkheims gingen nach Hause. Während Alma Lindner wieder ihren Pflichten nachkam, bis die Küche geradezu unbenutzt aussah, setzte Hetty sich auf die Terrasse. Widerstrebend, aber mit Entschlossenheit. Nur, weil sie einmal mitten in der Nacht, als ihr Herz schwer und ihre Nerven dünn waren, ein Schatten im Garten erschreckt hatte, ließ sie sich nicht von der Terrasse vertreiben. Es war nur eine Chimäre gewesen. «Ein Hirngespinst», flüsterte sie, als könne das ihren rascheren Herzschlag beruhigen. «Nur ein albernes Hirngespinst.»
Es war eine sehr dunkle Nacht, sie suchte den Mond vergebens, und sie hätte jetzt gerne eine Nachtigall gehört, aber so spät im Sommer sangen die Nachtigallen nicht. Sie lauschte trotzdem in die Dunkelheit, irgendwo in der Nachbarschaft spielte hin und wieder leise eine Violine – aber auch die schwieg schon.
Sie hörte nur, was sie nicht hören wollte. Vom schmalen Weg, der hinter der Hecke zum Fluss hinunterführte, ein Rascheln. Oder Schritte? Um diese Zeit, in der Dunkelheit ohne Laterne? Hirngespinst. Da raschelte nur etwas, ein Kaninchen vielleicht. Eine der fetten Katzen aus dem Dorf auf nächtlicher Jagd.
Als Hetty in dieser Nacht in ihrem Bett lag, lauschte sie immer noch auf die Geräusche des Hauses und des Gartens. Nun hörte sie das Seufzen der alten Balken, das Knistern winziger schneller Füße einer Maus im Dach, auf den leicht auffrischenden Wind in den Baumkronen, von der Straße ein noch so spät vorbeirollender Wagen. Und leichte Schritte im Erdgeschoss, Alma Lindner war immer noch geschäftig oder fand keinen Schlaf.
Sie tastete in der Dunkelheit nach der Kiste mit der Menagerie, die sie auf den kleinen Teppich vor ihrem Bett gestellt hatte, und blickte durch das offene Fenster hinaus in die Sterne.
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Kapitel 11
Sonntag
A m nächsten Vormittag bekam Hetty Besuch von Claire und Emma, nur auf eine Tasse Tee, wie sie versicherten. Emma hatte selbst kutschiert, Pferd und Wagen waren bei dem Mietstall in der Nähe der Brauerei untergestellt.
Frau Lindner hatte an diesem Tag frei, so bereiteten sie den Tee gemeinsam in der Küche, was Emma als großen Spaß, Claire als selbstverständliche Aufgabe betrachtete. Emma nahm eine Zigarette aus ihrem Silberetui, zündete sie an und öffnete rücksichtsvoll ein Fenster. So eine Küche im Erdgeschoss, befand sie, habe Charme, da wüchsen die Rosen auf den Teller.
«Ach, auf ihre Art sind doch alle Küchen gleich», stellte Claire heiter fest, als sie sofort die richtige Dose mit dem Gebäck fand. Wenn man bedachte, dass die Küche der Grootmanns im Souterrain der Alstervilla etwa fünfmal so groß war wie diese, war das wahrhaftig ein Grund zur Heiterkeit.
Anschließend war es nicht schwer, Hetty von einem Spaziergang entlang der Elbe zu überzeugen, der Tag war schön und mild, und in gutgestimmter Gesellschaft war das eine wunderbare Weise, den Sonntag zu genießen.
Wieder zurück im leeren Haus, fragte
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