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Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Titel: Ein Garten mit Elbblick (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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malt jetzt hier bei der Röver in der dritten Etage. Komische Art, das Trauerjahr rumzukriegen. Scheint, sie ist gottfroh, dass ihr Mister tot ist.»
    Ekhoff hätte gerne wenigstens für drei Minuten die Vorschrift zu höflichem Verhalten außer Kraft gesetzt oder vergessen. Bojes Grinsen zeigte deutlich, dass er genau das herausforderte.
    «Frau Winfield war hier, so. Woher kennen Sie die Dame?»
    «Kenn ich nicht. Das heißt erst seit gestern, da hab ich sie im Treppenhaus gesehen, und später wollte sie einen Malkittel bestellen. Kam einfach reinspaziert, so wie Sie. Feine Dame, aber auch keine Manieren, wenn Sie mich fragen. Den Namen hat man in der letzten Zeit öfter gehört. Aufgeschlitzt am Meßbergbrunnen. So was spricht sich rum, gerade wenn es so ’n feinen Pinkel trifft.»
    «Was ist das?» Henningsen hatte den Vorhang zu Bojes Kammer zur Seite geschoben und zeigte auf das Plakat an der Wand. «Das sind Sie. Ihr Name steht auch drauf, so ein Pech. Sie hätten sich einen Künstlernamen zulegen sollen.»
    Boje war aufgestanden und zog energisch den Vorhang wieder zu. «Das geht Sie gar nix an. Woher wissen Sie überhaupt, ob das nicht mein Künstlername ist? Vielleicht heiß ich tatsächlich Wilhelm von und zu Hohenzollern. Jetzt können Sie mich wegen Majestätsbeleidigung verhaften, da fürchte ich mich aber wirklich.»
    «Schluss damit.» Ekhoff schob den Hauswart zur Seite. «Wir sehen uns das Plakat jetzt an, und Sie erklären uns einiges.»
    «Was wolln Sie denn?» Boje klang nun doch mürrisch. «Der Kerl auf dem Plakat bin ich, na und? Ist übrigens gar keins, so berühmt war ich nie. Es hat nur für Handzettel gereicht. Und das ist lange her.» Plötzlich begann er zu lachen, es klang nach einem würgenden Prusten. «Ich werd verrückt. Jetzt weiß ich, was Sie hier wollen. Hätt ich mir gleich denken können. Das Messerwerfen, klar. Sie suchen immer noch den Kerl, der den Engländer umgebracht hat. Mannomann, Sie müssen verdammt unter Druck stehen, Kommissar. Dampfkessel kurz vorm Explodieren, was? Wenn Sie den Schlitzer bei ’nem alten Kerl wie mir suchen …»
    «Machen Sie nur tüchtig Wind.» Ekhoff spürte saure Wut aufsteigen. Wenn Boje sich in den Spelunken genauso verhielt, konnte er nur wenige Freunde haben. «Sie werden uns jetzt trotzdem sagen, wo Sie in der Nacht vom 15. auf den 16. Juli waren, es war die Nacht von Montag auf Dienstag.»
    «Was für ’n Unsinn. Kein normaler Mensch weiß, wo er zu ’ner bestimmten Zeit vor vier Wochen war, falls er nicht gerade Geburtstag gefeiert hat oder es Freibier gab. Aber Sie haben Glück. Just von der Woche weiß ich genau, wo ich war, Tag und Nacht. Ich war hier, das vergesse ich bestimmt nicht, weil ich eine Freikarte für die Bootstour mit Eintopfessen nach Glückstadt hatte. Die musste ich verfallen lassen. Sie können Dr. Murnau fragen, der hat seine Praxis in der Lohmühlenstraße. In der Nacht habe ich hier gelegen und gezittert wie ’ne Pappel im Wind. Malaria. Die hab ich mal aus Ägypten mitgebracht, im Nildelta kriegt man die leichter als einen sauberen Schluck Wasser. Und ich dachte, ich wär dieses blöde Wechselfieber längst los.»
    «Ägypten, aha. Wie sind Sie denn dahin gekommen? Als Kohlentrimmer auf einem Dampfschiff?»
    «Artisten kommen weit rum.»
    «Und wann waren Sie in diesem Delta?»
    «Da müsst ich erst mal nachdenken. Etwa vor zwanzig Jahren? So in etwa. Vielleicht paar Jahre früher. Das ist ewig lange her.»
    «Vor zwanzig Jahren oder früher. Schöne Geschichte. Und dann fällt das Wechselfieber Sie plötzlich und zufällig gerade in dieser Nacht wieder an.»
    «Das war schon vorher wieder da, fragen Sie den Doktor. In der Woche habe ich hier gelegen, platt wie ’ne Flunder, die ganze Woche. Und wenn das alles war – ich muss weiterarbeiten, für nichts werde ich nicht bezahlt. Nee, warten Sie mal. Jetzt versteh ich erst richtig.» Er hatte die schwere Feile noch in der rechten Hand gehalten, nun legte er sie auf die Drehbank und schob beide Fäuste in die Rocktaschen. «Sie suchen einen, der den Engländer … so hat sich das noch nicht rumgesprochen, jedenfalls nicht bis in meinen Keller. Ich dachte, den hat einer einfach abgestochen. Wenn man nachts rumläuft und wie ’n Lord ausstaffiert ist, soll das vorkommen. Da hat also einer mit ’nem Messerwurf gearbeitet, richtig? Und sauber getroffen. Alle Achtung, Respekt. Aber dann sind Sie bei mir sowieso falsch.» Er zog die Fäuste aus den Taschen,

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