Ein Garten mit Elbblick (German Edition)
mit Respekt in der Stimme. «Voller Licht und ganz einfach. Verflixt schwer, so zu malen. Es sieht nach Frankreich aus, ich liebe diese Brücken dort. Hier im Norden gibt es ganz ähnliche. Gerade habe ich mit einem Freund – egal, den Maler kenne ich nicht. Gogh? V. Gogh. Und wie heißt das Bild? Brücke von – das nächste Wort ist verwischt, jedenfalls folgt dann bei Arles . Arles ist eine Stadt ganz im Süden Frankreichs.»
«Ob mein Vater selbst dort war? Mein Cousin hat hier schon einige französische Bilder entdeckt. Aber er hat keinen Namen genannt.»
«Wenn Sie einige verkaufen wollen, bringen die sicher die besseren Preise. Beim Stichwort Paris werden alle verrückt, erst recht, wenn sie sich für zeitgenössische Malerei interessieren. So wie ich. Völlig verrückt. Max Liebermann ist aber Berliner, von ihm stammt das kleine Bild mit dem Fischer am Strand dort beim Fenster. Ich hätte es nicht hier versteckt. Der Mann ist so wunderbar wie umstritten, seine Arbeit könnte eine respektable Summe bringen. Seit er einen steinalten Senator ohne Schönfärberei gemalt hat, lehnen ihn die meinungmachenden Hamburger allerdings empört ab. Dieser Gogh interessiert mich mehr. Ein Jammer, dass er nicht fertig gemalt ist, aber das hat seinen eigenen Reiz. Falls Sie es verkaufen wollen, ich wüsste vielleicht jemand. Aber ich denke», sie drehte Hetty behutsam ins Licht und schnalzte missbilligend, «ja, es ist nun genug.»
«Nur dieses eine noch.» Hetty trat zu dem gut im Licht platzierten Gemälde einer jungen Frau, die ein zartes, etwa drei Jahre altes Mädchen mit blonden Locken im Schoß hielt, Hintergrund und Kleidung leuchteten in ungewöhnlichen und flächig verarbeiteten Grün-, Schwarz- und Gelbtönen. «Vielleicht ist es Ihnen noch nicht aufgefallen.»
«O doch, das ist es. Die Frau hat mich gleich an Sie erinnert. Oder haben Sie mit drei Jahren wie dieses Kind ausgesehen? Dann hat er es sicher deshalb gekauft.»
Christine nahm das Bild von der Wand und drehte es um. « Mary Cassatt, Mutter und Kind unter dem Robinienbaum, 1892 . Ein Glücksgriff, Miss Cassatt ist eine der ganz wenigen anerkannten Frauen in der Malerei. Eine reiche Amerikanerin aus Philadelphia. Oder war es Pittsburgh? Jedenfalls lebt sie schon lange in Frankreich, natürlich in Paris. Dieses gehört zu den Bildern, die man in jeder Galerie anbieten kann, die Künstler der Avantgarde vertritt. Sie haben sicher gefragt, weil es Sie an etwas erinnert, und nicht, weil Sie es gleich verkaufen wollen, oder? Aber falls Sie mal Geld brauchen – Henrietta?»
Christine sah ihre Gastgeberin an und beschloss umgehend, die Führung zu übernehmen. «Nun ist es wirklich genug. Sie waren sehr krank und sind kein Goliath. Wir gehen jetzt ein paar Minuten im Garten auf und ab, und Sie atmen hübsch tief ein und aus.»
Es war nicht anzunehmen, dass Alma Lindner hinter der Tür gelauscht hatte, viel wahrscheinlicher stand sie nur zwischen Bilderzimmer und Küchentür, um zu warten, dass ihre Dienste endlich gebraucht wurden.
«Ich denke, liebe Frau Lindner – ich habe mir Ihren Namen doch richtig gemerkt?», fragte Christine. «Frau Winfield hat erwähnt, Frau Lindner sei die gute Seele des Hauses, das können nur Sie sein. Ja, ich denke, Kaffee und Sherry wären jetzt wunderbar. Den Sherry bitte nicht zu süß, und falls es Ihnen gelänge, eine Zigarette für mich aufzutreiben, es dürfen auch zwei sein, am liebsten ägyptische – das wäre großartig.»
Hetty sah mit Verblüffung, was nun geschah. Christine schenkte Alma Lindner ein Lächeln, als habe die ihr nicht eine Zigarette, sondern die Welt versprochen, und die strenge Hausdame knickste und sagte: «Sehr gerne, Baronesse. Ägyptische sind da. Den Sherry trocken oder halbtrocken?»
«Halbtrocken ist ein guter Kompromiss. Am besten servieren Sie alles in diesem niedlichen Pavillon dort draußen.»
«Entschuldigen Sie meine Eigenmächtigkeit», sagte sie, als Frau Lindner in der Küche verschwunden war und die beiden jungen Frauen in den Garten hinaustraten. «Aber Sie sehen aus, als bräuchten Sie keine dilettierende Malerin, sondern eine Krankenschwester, und, zugegeben, ich neige dazu, Dinge zu übernehmen, die mich nichts angehen. Das ist eine Warnung.» Sie lachte, holte ein Taschentuch hervor und bot es Hetty an. «Aus irgendeinem Grund vermute ich, dass Sie heute einen neuen Anlass zum Kummer haben. Ist es so schlimm?»
Hetty zögerte nur sehr kurz. «Schlimmer», sagte sie.
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