Ein Garten mit Elbblick (German Edition)
blieben aus, seine Kabel und Briefe an den Amsterdamer Agenten kamen schließlich zurück. Thomas hatte ihn zunächst vertröstet, dann war er nicht mehr zu erreichen.
Am 12. Juni schrieb Mommsen von einer Zeitungsmeldung, nach der es ein Irrglaube sei, jedes der inzwischen zahllos in Staub und Geröll der Kapprovinz gegrabene Loch ergebe eine ertragreiche Gold- oder Edelsteinmine, mancher ahnungslose Bürger sei in der Hoffnung auf große Gewinne auf Betrüger oder Phantasten hereingefallen. Da hatte er begonnen, wirklich zu zweifeln. Einmal hatte er notiert, der Gedanke sei unerträglich, schließlich handele es sich um seinen geachteten Schwiegersohn, um den Mann, den sein Kind liebe, dem Hetty mit seiner Zustimmung ihr Leben anvertraut habe. Er fürchte gleichwohl, es sei an der Zeit, seine alte Verbindung zu Paul aufzunehmen und ihm die Sache zu übergeben. Aber es ist natürlich völlig unmöglich, bei so etwas die Polizei einzuschalten. Eine solche Niedertracht in der eigenen Familie muss erst zuverlässig bewiesen sein, und selbst dann … Noch kann sich alles als Irrtum erweisen. So oder so, es darf niemals nach außen dringen!
* * *
In der Verbrecherkartei im Stadthaus fand sich nichts über Sören Boje, den Hauswart im Gebäude Glockengießerwall 23. Weder in den Listen nach Familiennamen, bevorzugter Tatwaffe noch Berufsbezeichnung Hauswart oder nach den Stichworten Messerstecher oder -werfer. Sie hatten auch unter dem Stichwort Artist gesucht. Endlich auch unter Boje in dem äußerst umfangreichen Spitznamenverzeichnis, denn Boje könne ja auch eine Boje meinen und nur ein Deckname sein. Das war Henningsens Idee gewesen, Ekhoff hätte selbst darauf kommen müssen. Seine Gedanken schweiften heute zu oft ab.
In den speziellen Karteien für Diebe, Betrüger, Hochstapler oder Urkundenfälscher, Männer und Frauen unter Kontrolle der Sittenpolizei war Sören Boje auch nicht zu finden. Da Ekhoff es wie immer eilig hatte und nur auf das vertraute, was er selbst erledigte, hatte er Henningsen und Schütt bei der Suche im Erkennungsamt unterstützt. Die Karteien waren durchdacht und so aufwendig wie ordentlich angelegt, aber sie konnten keine Wunder vollbringen.
«Es tut mir leid», erklärte Henningsen etwa zum zehnten Mal, als sie vom Alsterdamm in den Glockengießerwall einbogen. «Ich könnte mich selbst ohrfeigen, dass ich mich nicht gründlicher umgesehen habe. Einfach zu blöde.»
«Nun lassen Sie es gut sein, Henningsen.» Ekhoff hatte bei der ersten Selbstbezichtigung seines Assistenten ernst und bedeutungsvoll genickt und die folgenden ignoriert. Die ständigen Wiederholungen wurden anstrengend. Außerdem störten sie ihn ebenso wie Henningsen beim Denken. «Sie hatten keinen Anlass, dem Mann ins Schlafzimmer zu sehen. Sie sollten nach Winfield und Haggelow fragen und darauf achten, was sich in den Gesichtern tut, wenn diese Namen genannt werden. Frau Winfield hatte Glück, dass der Vorhang offen stand. Das mag sich als Luftblase entpuppen, oder es bringt uns einen Schritt weiter. So ist Polizeiarbeit, eins muss erst zum anderen kommen. Auf dem Tablett und umsonst gibt es selten was.»
Henningsen war erleichtert von dieser Absolution, trotzdem fand er es höchst blamabel, dass ihn ausgerechnet eine junge naive Witwe mit künstlerischen Ambitionen ausgestochen hatte.
Die Tür zur Hauswartwohnung im Souterrain war geschlossen, als auf Ekhoffs Klopfen nichts geschah, drückte er die Klinke hinunter. Die Tür erwies sich als gut gefettet und öffnete sich geräuschlos, was bei einem Hauswart nicht überraschte.
Boje stand an der Drehbank und feilte an einem Werkstück. Er wandte sich erst um, als die beiden Polizisten hinter ihm standen.
«Die Kriminalpolizei», sagte er. «Sie war’n doch schon hier. Jetzt zu zweit, da muss ich mich wohl fürchten. Was hab ich verbrochen?»
Ekhoff sah das Werkzeug in Bojes rechter Hand und wurde noch wachsamer. Die Feile war ein schweres Stück Eisen – der Mann war kein Feinmechaniker. «Wir fragen nur ein bisschen herum, Herr Boje. Zweimal fragen ist immer gut. Polizei-Assistent Henningsen kennen Sie schon, ich bin Kriminalkommissar Ekhoff.»
«Na, dann, Herr Kriminalkommissar und Herr Assistent.» Er setzte sich auf einen Hocker, die einzige Sitzgelegenheit in dem schmalen Raum. «Womit kann ich dienen? Die kleine Witwe war hier, falls die Lady mich verpfiffen hat, kann’s nicht stimmen. Ich bin ein unschuldiges Lamm.»
«Die Witwe?»
«Winfield. Die
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