Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Ein Garten mit Elbblick (German Edition)

Titel: Ein Garten mit Elbblick (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
Vom Netzwerk:
lag. Ein dickes Schreibheft mit festem Einband.
    «Ich habe die Tischglocke mitgebracht. Wenn Sie mehr Tee möchten oder andere Wünsche haben – bei geöffneten Fenstern hört man die Glocke für gewöhnlich bis ins Haus.» Die Stimme klang nun wieder servil. «Für das zweite Frühstück mit Ihrem Besuch steht jederzeit alles bereit.»
    «Danke, Frau Lindner. Ich kenne Fräulein von Edding nicht gut genug, um zu wissen, ob sie pünktlich sein wird. Ich fürchte, eher nicht. Aber wenn ich mich richtig erinnere, haben wir kein Soufflé geplant. Wenn ich Sie vorher brauche, werde ich klingeln.»
    Sie öffnete die Schublade, hob die Kladde heraus und strich behutsam über den Einband. Fast ein Dutzend davon hatte sie gelesen, viele Seiten gründlich, manche nur überflogen, zum Beispiel die mit seinen regelmäßigen Notizen über das Wetter, über Mahlzeiten, Schachabende, eine neue Rosensorte oder den Fortschritt beim Einbau der neuen Bäder. Diese Kladde war die letzte, in die er Notizen aus seinem Leben geschrieben hatte, Zeile um Zeile, sicher oft an diesem Tisch. Erst hier im Pavillon mit dem Blick auf den Fluss hatte sie das Gefühl, ihm über die Schulter zu schauen. So schlug sie endlich die erste Seite auf. Im Jahre des Herrn 1895.

    Die letzte Kladde bestätigte, was sie befürchtet hatte. Die alltäglichen Anmerkungen hatte sie immer rascher überflogen und durchgeblättert, ihre Augen suchten Thomas’ Namen und Auskünfte zu finanziellen Transaktionen ihres Vaters. Alles, was er dazu notiert hatte, blieb für sie in den Details vage, gewiss stellte es sich anders dar, wären ihr Hintergründe und Zusammenhänge vertraut. Diesen großen Wurf, von dem er im vorigen Heft geschrieben hatte, dieses Alles-oder-nichts, hatte er schließlich gewagt. Es war Thomas gewesen, der es ihm angetragen und verkauft hatte. Anders war es nicht zu verstehen.
    Am 18. Februar hatte er notiert: Noch einmal nachgedacht, Th.’ Angebot zu Minen-Anteilen in der Kapprovinz in der Tat überaus verlockend. Seine Verbindungen in dieser Sache hochmögend und beeindruckend. Eigene Gewinne schon enorm!
    Am 14. März: Th. überschätzt offenbar meine Möglichkeiten. Sein Angebot erfordert fast alles. Avisierte und gewünschte Expertise endlich bekommen, ist tadellos. Ebenso die Referenzen. Th. besteht auf Verschwiegenheit, da nur noch wenige Anteile des Goldesels verfügbar. Trotzdem mit Friedrich oder Felix besprechen?
    Am 28. März: Nun muss schnell investiert werden, der Kuchen ist so gut wie verteilt, wer solche goldenen Anteile hat, verkauft ja nicht wieder.
    Am selben Tag: Fast Mitternacht. Habe endlich den Entschluss gefasst. War mein Leben lang allzu vorsichtig, Zeit für ein Wagnis. Besitzanteile in der Kapprovinz, das klingt fabelhaft. Beflügelnd. Bau einer Bahnlinie von Kairo bis zum Kap ist geplant (auch sehr profitable Anlage!!). Wunderbare Aussicht: Reise im Luxuszug durch den ganzen Schwarzen Kontinent mit H. und Th. Kauf der Minen-Anteile schluckt alles, aber: kein echtes Risiko und schnell hoher Ertrag, sagt Th., und Hetty ist gut und sicher versorgt. Nur das Haus werde ich nie belasten, eine Sicherheit braucht meine Seele.
    Sophus Mommsen hatte seinem Schwiegersohn vertraut. Thomas hatte gute Beziehungen und konnte in dieser Sache ‹noch etwas arrangieren›, es musste aber schnell und diskret entschieden sein, damit ihm niemand den fetten Fisch wegschnappte. Nur mit schlechtem Gewissen und weil es üblich war, hatte Mommsen noch einmal sichere Berichte ‹von dort unten› verlangt. Er hatte sie bekommen. Oder etwas, das danach ausgesehen hatte.
    Am 15. April hatte er noch notiert: Alle Geldtransaktionen erledigt, mein Bankier sprachlos, hat mir keinen Unternehmungsgeist zugetraut. Hat mich Hasardeur genannt und mich damit amüsiert. Trotzdem einige schlaflose Nächte. Ohne Th. hätte ich das natürlich nie gewagt. Aber ich habe richtig entschieden. Bin solche Summen und radikalen Entscheidungen nur nicht gewohnt.
    Erst am 30. Mai begann er sich doch so zu sorgen, dass er es notierte: Warte mit zunehmender Ungeduld auf die Kontrakte. Kommen nicht aus Afrika, das könnte die Dauer erklären, die Agentur sitzt jetzt in Amsterdam. Angeblich müssen noch Kabel vom Kap abgewartet werden, über den aktuellen Stand der Ausbeute. Habe trotz einiger Skrupel, Th. zu übergehen, selbst nach Amsterd. geschrieben. Noch keine Antwort. Geduld!
    Die Kontrakte kamen offenbar auch in den nächsten Wochen nicht, die Anteilscheine

Weitere Kostenlose Bücher