Ein Garten mit Elbblick (German Edition)
Zeitung gelesen. Wenn es aber um Diamantenminen geht – ja, was dann? War die Mine doch nicht taub? Hatte Thomas als Beweis diese drei Steine in der Tasche? Aber warum hätte er sich dann tagelang unter falschem Namen in einer Absteige versteckt? Und warum wollte dann jemand, dass das nicht bekannt wurde?»
Christine hatte eine zweite Zigarette angezündet und sah dem fein aufsteigenden bläulichen Rauch nach. «Ich wünschte, ich hätte eine auch nur halbwegs plausible Antwort.»
«Je mehr ich nachdenke, umso wirrer wird alles.» Hetty starrte auf die Steine, dann schob sie einen nach dem anderen wieder in die kleine Gürteltasche «Ich muss sie zur Polizei zurückbringen. Sie gehören mir nicht, und ich will sie nicht. Und es wird ganz sicher Einfluss auf die Ermittlungen haben. Wenn Thomas keine Erinnerung an seine Hochzeitsreise, sondern dubiose Rohdiamanten in der Tasche hatte, müssen sich daraus doch neue Aspekte ergeben.»
«Das würde ich nicht tun, Henrietta. Wirklich nicht. Zumindest sollten Sie es sich gut überlegen. Was heißt denn, sie gehören Ihnen nicht? Wem sonst? Sie haben Ihrem Ehemann gehört, egal, woher er sie hatte. Sie haben ihm gehört, als er starb, dann gehören sie jetzt Ihnen, als Teil Ihres Erbes. Vielleicht waren sie ein Geschenk für Sie. Er hat sie in Antwerpen günstig erstanden und wollte sie später schleifen lassen, um seine Frau damit zu überraschen.»
«Vielleicht. Vor vier Wochen wäre ich dessen sogar ganz sicher gewesen, er hat immer kleine Geschenke mitgebracht. Jetzt ist alles anders. Wenn Kommissar Ekhoff davon weiß, hat er endlich eine konkrete Spur und mit etwas Glück die richtige.»
«Sie sind eine schrecklich ehrbare Person, Henrietta, das müssen Sie unbedingt ablegen. Die richtige Spur wird dieser Polizist alleine finden, das ist seine Aufgabe und Profession. Wenn Sie ihm diese ‹Kiesel› als das zurückbringen, was sie sind, müssen Sie auch von der Transaktion zwischen Ihrem Mann und Ihrem Vater berichten. So etwas lässt sich nicht geheim halten, selbst wenn die Polizisten Diskretion versprechen. Aus irgendeiner Schreibstube oder einem Telegraphenamt wird es auf wundersame Weise seinen Weg in die Stadt finden und sich ausbreiten wie die Pest. Was für ein fabelhafter Skandal! Für Sie mag es einfacher sein, Henrietta, Ihrer Familie gegenüber wäre es leichtfertig. Zudem pure Verschwendung. Wenn Sie ‹die Kieselchen› der Polizei übergeben, könnten sie für immer verloren sein. Sehen Sie die Steine doch als Entschädigung. Wenn Ihr Ehemann Ihren Vater mit mindestens einer tauben Diamantenmine ruiniert hat, ersetzen diese Steinchen wohl kaum den Verlust, aber sie sind mehr als nichts.»
Christine stand auf, lehnte sich an die Brüstung des Pavillons und ließ den Blick durch den Garten wandern. «Sie haben hier ein hübsches kleines Paradies, Henrietta. Ich wünsche Ihnen, dass Sie immer so eines haben werden, denn glauben Sie mir, in der Welt da draußen weht ein sehr kalter Wind. Diamanten stehen im Ruf, eiskalt zu sein. Ich bin anderer Ansicht. Sie wärmen ungemein, wenn man sie richtig einzusetzen weiß.»
* * *
Auf dem Weg zurück zum Kommissariat waren Ekhoff und Henningsen wortkarg. Ekhoff, weil er mit sich unzufrieden war und nach etwas suchte, das er überhört oder fälschlich unbeachtet gelassen hatte, Henningsen, weil er den Grimm seines Chefs spürte.
«Sie glauben ihm nicht, oder?», traute er sich endlich zu fragen.
«Jedenfalls nicht alles. Er war nervös.»
«Mir kam er ziemlich selbstherrlich und frech vor.»
«Einerseits. Vielleicht ist er ein guter Schauspieler. Er hat geredet wie ein Wasserfall, ich bin sicher, das ist sonst nicht seine Art. Auch wenn es ihm ganz offensichtlich zunehmend Spaß gemacht hat, uns etwas zu erzählen, ohne dass wir es widerlegen können. Noch nicht können. Dr. Murnau muss schnell befragt werden. Lohmühlenstraße.» Er blieb stehen und sah sich um. «Das ist in der entgegengesetzten Richtung, direkt beim Alten Allgemeinen Krankenhaus in St. Georg. Es handelt sich doch um eine recht feudale Praxis. Irgendwo habe ich den Namen neulich schon gehört …»
«Ziemlich feudal, ja. Aber wie einige dieser Ärzte behandelt er auch ein paar Bedürftige. Seit es das riesige neue Krankenhaus in Eppendorf gibt, sind in dem in St. Georg besonders viele Arme und Sieche untergebracht.»
«Ich vergesse immer wieder, wie gut Sie sich in diesen Kreisen auskennen, Henningsen. Ich meine nicht die Armen und
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